Eingeraucht Sushi rollen

Tourismus
11.09.2018

 
Könnte der Tourismus von einer Cannabis-Freigabe profitieren? So wie in Colorado, Amsterdam, Barcelona und anderswo? Ein für manche vermutlich provokantes Gedankenexperiment.  
Ließe sich eine Cannabis-Legalisierung in Österreich touristisch und profitabel vermarkten?

Sushi & Joint Rolling“, „Wine & Weed“, oder wie wär’s mit einer „Cannabis Wellness Tour“? Wer hinter „420 Tours“ aus Denver im US-Bundesstaat Colorado an ein gewöhnliches Reisebüro denkt, der irrt. Bei 420 Tours bucht man ausschließlich Touren und Erlebnisse, die sich ums Thema Cannabis, seinen Anbau, seine Verarbeitung und seinen Konsum drehen. Man besucht Gewächshäuser und sieht bei der Ernte zu oder belegt eingeraucht einen Sushiroll-Workshop. Sushirollen hat zwar vordergründig nichts mit Colorado zu tun, ist aber anscheinend lustig und Touristen 79 Dollar wert. Der Mitbewerber „Colorado Highlife Tours“ bietet Touren in Luxuslimousinen an – Joints inklusive. Erkunden kann man dabei nicht nur die Hauptstadt Denver, sondern auch die pittoreske Bergwelt, die unter dem Einfluss von Marihuana vielen möglicherweise noch plastischer erscheint. 

Tourismusboom

Weniger plastisch, sondern ziemlich faktisch sind jene Zahlen, die die Legalisierung im Jahr 2014 ausgelöst hat: In Colorado profitieren nicht nur Reisebüros, die gesamte Tourismuswirtschaft boomt. Der US-Bundesstaat (knapp sechs Mio. Einwohner) lockte 2016 – zwei Jahre nach der Legalisierung von Cannabis – 82,4 Millionen Touristen an. Laut Colorado-Tourism-Erhebung nahmen 15 Prozent, also etwa zwölf Millionen Besucher, an einer Aktivität mit Marihuana-Bezug teil. Fünf Prozent aller Gäste nannten Cannabis als Motiv für ihre Reise nach Colorado – das sind über vier Millionen Gäste und mehr als so manche anderen US-Bundesstaaten an Gästen pro Jahr insgesamt begrüßen. 

Elf Prozent aller Gäste besuchten ein Dispensary, also eine Verkaufsstelle für Gras und Haschisch. Die gesamte Marihuana-Industrie setze in Colorado laut der „Marijuana Policy Group“ pro Jahr 2,4 Milliarden Dollar (2,05 Mrd. Euro) um. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2015 und dürften seither eher nicht gesunken sein. Ähnlich positive Zahlen gibt es auch aus Amsterdam, wo bereits seit 1973 der Umgang mit Cannabis sehr pragmatisch erfolgt und die Stadt in den letzten 40 Jahren zum größten Hotspot in Sachen Hanftourismus in Europa gemacht hat. Hanf-Touren gibt es auch in Barcelona, wo man über eine Clubmitgliedschaft ein bisschen „Cannabiskultur“ inhalieren kann. 

Klingt verlockend, oder? Wäre das etwas für Österreich? Sollen sich das Südburgenland oder das nördliche Weinviertel als Cannabis-Hochburgen etablieren? Mit diversen Weintouren macht man dort – und nicht nur dort – doch ein gutes Geschäft? 

Ökonomisch ergibt die Freigabe von Cannabis Sinn, zu diesem Schluss kam das deutsche Magazin „Wirtschaftswoche“ in einer großangelegten Titelgeschichte bereits im Jahr 2015. Der deutsche Staat würde dadurch Mehreinnahmen von jährlich 800 Millionen Euro lukrieren, und die Strafverfolgung würde letztlich nichts bringen, lauteten zwei Argumente. Auch gesundheitlich stellt Cannabis – verglichen mit dem Alkohol – keine übermäßige Gefahr dar. „Durch das Rauchen von Cannabis ist noch nie jemand gestorben!“, behauptet zumindest Toni Straka im Gespräch mit der ÖGZ. Er will als Leiter des Hanf-Instituts für Aufklärung und Entmystifizierung rund um Cannabis sorgen. 

Hohe Steuereinnahmen

Einige Länder haben ihre Gesetze liberalisiert. In 15 der 28 EU-Mitgliedsländer ist der Konsum von Cannabis derzeit entkriminalisiert. Österreich gehört nicht dazu, die Bundesregierung kündigte zuletzt sogar Verschärfungen im Strafrecht an. 

Doch was sagen Touristiker? Ein Rundruf der ÖGZ bei österreichischen Tourismus-Wissenschaftern und -Vermarktern ergab, dass sich bislang niemand mit dem Thema eingehend auseinandersetzt hat – oder darüber reden will. Klar muss einem bewusst sein, dass man die Geister, die man ruft, womöglich nicht mehr los wird: dass Cannabis-Touristen vielleicht andere abschrecken oder die Bevölkerung verstören könnten. Diese Erfahrung machte man auch in Amsterdam. Prinzipiell müsse man alle Formen des schnellen, billigen Städtetourismus, allein aus ökologischen Gründen, kritisch sehen, sagt der Tourismusethiker der FH Joanneum Bad Gleichenberg ,Harald Friedl, gegenüber der ÖGZ. „Aber ich frage mich, ob eine Gruppe Bekiffter unangenehmer auffällt als die betrunkenen Männerrunden, die in manchen europäischen Städten für die Bevölkerung zu einer Belästigung geworden sind“, fügt er pragmatisch hinzu.

Text: Alexander Grübling, Daniel Nutz

Top-Destinationen des Hanf-Tourismus

USA
Seit 2014 ist Cannabis im Staat Colorado komplett legal. Colorado ist sozusagen das Zentrum des Cannabis-Tourismus, da sich dort eine blühende Industrie entwickelt hat. Ähnliche Angebote gibt es in Washington, Kalifornien und Oregon.

Spanien
In Spanien läuft der Hanf-Tourismus über die Cannabis Social Clubs (CSC). Zuerst muss man sich online für einen passenden CSC bewerben und den Mitgliedsbeitrag zahlen. Barcelona ist ein Hotspot.

Niederlande
In Amsterdam ist seit 1973 der Konsum in Coffeeshops legal. Kuriose Entwicklung. Aufgrund der Tabakgesetze muss man dort nun pur rauchen oder eine Kräutermischung als Strecker verwenden.

Jamaika
Vor dem Gesetz zwar offiziell illegal, ist der Hanfkonsum für viele Touristen ein Argument. Der Konsum ist nicht strafbar, außer in der Öffentlichkeit. Es gibt einen regen Schwarzmarkt.