Effizienz

Digitalisierung: Dumme Arbeit wird abgeschafft

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17.04.2024

Von: Harald Koisser
Die digitale Transformation in Hotellerie und Gastro sorgt für Transparenz und sinnvolleren Einsatz der Mitarbeiter. Das rechnet sich auch für kleine Betriebe.
Digitalisierung

"Bei uns war bis 2021 alles analog und daher gab es unglaublich viel Papier und viele Ordner“, sagt Anja Kaman, Assistentin der Leitung von Schloss Esterházy im Burgenland, und meint: „wir ­haben jetzt eine Software, die hat aus Chaos geordnete Abläufe gemacht.“ 

Hause Esterhazy zeigen, wo die Reise im heimischen Tourismus hingeht – von analogen zu digitalen Prozessen, von Papier zu Bits and Bytes, von Chaos zu neu geordneten Abläufen. Touristische Anbieter, Gastro und Hotellerie haben die digitale Transformation begonnen. Während die Gäste ihr Urlaubserlebnis analog genießen, findet hinter den Kulissen die große Verwandlung statt. 

„Wir sind auf einem guten Weg. Die Digitalisierung des Rechnungsworkflows war ein Riesenschritt“, sagt Sandra Scheibenpflug aus der Esterhazy-Buchhaltung, „Rechnungen sind früher alle ausschließlich in Papierform bei uns eingegangen. Und sie sind erst bei uns gelandet, wenn sie fertig abgesegnet waren.“ Die Rechnungen wurden mit händischen Vermerken versehen, digitale Rechnungen wurden extra ausgedruckt und in Rundlauf zur Freigabe geschickt, dann wurden sie in die Buchhaltung getragen. „Dann hat aber oft formal etwas nicht gepasst“, so Scheibenpflug. Die UID-Nummer hat gefehlt, der Rechnungsempfänger hat nicht gestimmt. „Wir hatten manchmal wochenlange Prüfprozesse.“

Die Besucher erleben Esterhazy weiterhin ganz analog, der Rechnungsworkflow ist heute hingegen digital.
Die Besucher erleben Esterhazy weiterhin ganz analog, der Rechnungsworkflow ist heute hingegen digital.

Es geht ums Geld

„Da sind Rechnungen auch schon einmal drei Wochen liegen gelassen worden“, erinnert sich die Esterhazy-Digitalisierungsbeauftrage Ruth Unterfrauner, „das gibt es heute manchmal auch noch, aber jetzt wissen wir es in der Buchhaltung. Da kann man etwas tun.“ Immerhin geht es auch um Skontofristen und damit um Geld.

Esterhazy ist ein komplexer Mischbetrieb mit so unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie Immobilienverwaltung und -entwicklung, Tourismus, Kultur und Veranstaltungen, einem Weingut und schließlich „Hospitality“, jenem Bereich, wo sich Esterhazy als Gastgeber versteht. Hier werden an unterschiedlichsten Locations Firmenveranstaltungen, Hochzeiten und andere Events eingebucht und abgewickelt. Buchhalterisch gesprochen kann man sagen, dass Esterhazy viele Rechtsträger hat. Esterhazy beschäftigt rund 550 Mitarbeiter*innen. 2022 erwirtschafteten die Esterhazy Unternehmensbereiche einen Umsatz von EUR 67,0 Mio. Dazu gehören auf formaler Ebene rund 25.000 Eingangsrechnungen pro Jahr. Aufgrund der jährlich stattfindenden Opernaufführungen im Steinbruch St. Margarethen und dem Herbstgold-Festival in Eisenstadt, sind es auch schon einmal 35.000 Rechnungen. Eine enorme Komplexität, wo man sich alles wünscht, bloß kein Chaos.

„Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass das vor kurzer Zeit noch anders war“, schwärmt auch Mario Gritsch, Leiter des Rechnungswesens von Wedl. Der Gastrogroßhändler mit acht Standorten und rund 448 Millionen Umsatz hat ebenfalls vor rund zwei Jahren die Umstellung gewagt. Alle Belege, die nicht die Handelsware betreffen, wurden genau wie bei Esterhazy physisch durch das Unternehmen getragen. „Die rund 8.000 Belege pro Jahr haben eine weite Reise gemacht“, so Gritsch, „von unserem Posteingang in Mils sind sie mit LKW nach Villach und zu anderen Standorten zur Prüfung gefahren und dann wieder retour.“ Auch hier überschritten die Prüfzeiten oft die Skontofristen. 

Schluss mit den Papierbergen

Und erst die Papierberge! „Um 8.000 Belege abzulegen, braucht man wahrscheinlich um die 70 Ordner“, rechnete Gritsch, „und die muss man dann sieben Jahre aufbewahren.“ Hinzu kommt, dass Wedl am Standort in Mils vor kurzem erst einen Umzug bewältigen musste. „Da hätten wir natürlich das ganze Archiv mitnehmen müssen. Das hätte eine bauliche Herausforderung bedeutet.“ Die vielen Ordner hätten einen großen Raum gebraucht. Jetzt sind sie einfach auf einem Server mitgereist.

Die analogen Ordner waren natürlich penibel alphabetisch und nach Datum geordnet und doch „war es eine irre Sucherei im Vergleich zu jetzt“, so Gritsch, „heute tippe ich einen Suchbegriff ein und sehe alles.“ So lassen sich auch leicht ähnliche Rechnungen aus vergangenen Jahren vergleichen.
Die große Erleichterung bei Esterhazy und Wedl besteht in der komplett digitalen Verarbeitung der Eingangsrechnungen. Die Lieferanten schicken ihre Belege ausschließlich an ein zentrales Postfach. Dort weiß das System, dass es sich um eine Rechnung handelt und kann es oft auch sofort selbsttätig an die richtigen Prüfinstanzen weiterleiten. Die Buchhaltung hat volle Transparenz. Sie sieht alle Rechnungen und weiß, wo sie gerade sind. Die Rechnungsfreigeber haben weniger Aufwand, weil zu jeder Rechnungen die dazugehörenden Bestellungen und allenfalls auch rechtliche Vereinbarungen aufpoppen, weil auch diese Dokumente digital in einem zentralen Ordner abgelegt sind.

Die Belege haben bei Wedl früher eine weite Reise per LKW gemacht. Diese „prähistorischen Zeiten“ sind vorbei.
Die Belege haben bei Wedl früher eine weite Reise per LKW gemacht. Diese „prähistorischen Zeiten“ sind vorbei.

Ein sanfter Übergang

Spielen die Lieferanten da mit? „Natürlich haben wir nicht gesagt: ab morgen ist alles anders“, betont Ruth Unterfrauner von Esterhazy, „da braucht es einen sanften Übergang.“ Den hat Unterfrauner gut getaktet. Ein halbes Jahr vor der Umstellung des Konzerns auf das rein digitale Rechnungseingangsmanagement wurden alle Lieferanten angeschrieben mit dem Hinweis, dass Rechnungen in Zukunft nur noch als PDF und an ein bestimmtes E-Mail-Postfach möglich wären. Für jede interne Abteilung wurde ein eigenes Mailpostfach angelegt. Dann kam die Eingewöhnungsphase. Nach und nach kamen die Rechnungen sauber als PDF. Es sollte nur ein PDF pro Rechnung sein, damit das System die Datei extrahieren kann. 

Dann erst, nach langer Eingewöhnungsphase, hat Esterhazy das System tatsächlich scharf gestellt. „Natürlich haben wir heute auch noch Lieferanten, die Mails mit vielen PDFs schicken“, schmunzelt Unterfrauner, „aber das wird schon.“ Sogar handschriftliche Rechnungen werden noch geschickt. Bei den von Esterhazy ausgerichteten Adventmärkten gibt es eben Seifenmanufakturen oder KünstlerInnen, die Rechnungen nach wie vor mit Kugelschreiber auf Papier verfassen. „Unser System kann auch das erstaunlich gut verarbeiten“, sagt Unterfrauner. Eine Software für Texterkennung versucht alles zu lesen. Dokumente, die immer noch analog eingehen, werden gescannt. 

Dumme Arbeit wird abgeschafft

öllig unbegründet ist die stille Sorge von Mitarbeitenden, dass durch die Digitalisierung Kündigungen ausgesprochen werden. Davon kann keine Rede sein, so Max Raber, Geschäftsleiter der Digitalisierungsfirma ELO und verantwortlich für die digitale Umstellungen bei Esterhazy, „es geht vielmehr darum, dass dumme Arbeit abgeschafft wird. Die Verwaltung muss schlank werden, damit die Leute das tun, wofür sie auch aufgenommen wurden. Zumal in Zeiten, wo Employer Branding so wichtig ist.“ Auch Mario Gritsch von Wedl meint, dass es eher darum geht, „personelle Lücken digital zu schließen.“ Für Mitarbeiter „haben wir so viele andere Einsatzgebiete.“ 

Digitalisierung erschließt auch neue Kommunikationskanäle

Eine andere Art der Digitalisierung erleichtert der Fleischerei Derntl in Leonding jetzt das Leben. Die Bestellungen für Mittagessen kommen an den drei Standorten jetzt über eine eigene Bestell-App herein. Großer Vorteil für die Kunden: sie können jederzeit, auch Sonntags oder mitten in der Nacht ihre Essenswünsche abgeben. Und die Mitarbeiter bei Derntl müssen nicht mehr genau dann, wenn das Geschäft ohnehin voll ist, auch noch Anrufe entgegennehmen mit all den Fehlern, die sich bei schnell hingeschmissenen handschriftlichen Mitschriften ergeben. Früher sind die Bestellungen über viele verschiedene Kanäle zu ungünstigen Zeiten gekommen. Bei tausenden Bestellungen im Jahr ist auch hier aus Chaos „Prozesssicherheit in Bestellung und Abwicklung geworden“, wie Matthias Zwittag von der Firma SIWA betont, jener Firma, die für Derntl die App programmiert hat.

„Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache“, so Meisterfleischsommelier Derntl, dem sich durch die App auch ein neuer Kommunikationskanal zu den Kunden erschlossen hat. Über Pushnachrichten werden Angebote verschickt und es können so auch Teile verkauft werden, an welche die Kundinnen und Kunden sonst nicht denken. Jetzt werden nicht nur Edelteile verkauft, was Derntls Nachhaltigkeitsgedanken sehr entgegen kommt.

Große Transformation für kleine Budgets

„Das ist eine voll datenschutzkonforme Click & Collect-App für kleine Anwendungen“, so Zwittag, „eigentlich als Fingerübung während Corona entstanden“. Die Fingerübung ist heute eine große Erleichterung für Betriebe wie Derntl, die nicht Geld für große Lösungen haben. 

Auch Mario Gritsch betont, dass die große digitale Transformation nicht nur für Megabetriebe ansteht, denn „die Software ist ja nicht so teuer. Wenn ich beim Steuerberater sparen kann, weil Belege bereits strukturiert und geprüft angeliefert werden, dann macht sich das schnell auch bei kleinen Einheiten bezahlt. Wer ein paar hundert Belege pro Jahr hat, kann darüber nachdenken.“