Serie "Mein Wirtshaus": Stanihof

Gastronomie
06.05.2021

 
Weil Service-Chefin Nicole Hruska überzeugte Veganerin ist, erweiterte sie gemeinsam mit Ehemann Peter die Speisekarte im St. Pöltner „Stanihof“ um fleischfreie Alternativen. Der Erfolg ist der Lohn für eine riskante Entscheidung.
Peter und Nicole Hruska erkunden mit ­ihrem Heurigen neue Wege und ­Zielgruppen.
Eine Spezialität des Hauses: die Seitanproduktion.
Regionale Produkte kommen am besten aus dem Eigenanbau.

Für Nicole Hruska war schon als Kind klar: Fleisch kommt ihr nicht mehr auf den Teller. „Wir haben regelmäßig in der Steiermark ‚Urlaub am Bauernhof‘ gemacht, wo auch Tiere geschlachtet wurden. Zuerst streichelst du eine Kuh und dann sollst du sie essen? Die Schreie der Tiere und der Blutgeruch waren schrecklich!“ Ihre Eltern, Heurigen-Wirte in Klosterneuburg (NÖ), haben die Entscheidung der damals zehnjährigen Niki akzeptiert: „Ich weiß, dass es speziell für meine Mutter eine riesige Herausforderung war. Aber sie hat mich sehr gut unterstützt.“

Dass die Service-Chefin seit 2014 auch auf Milchprodukte verzichtet und sich ausschließlich vegan ernährt, schlägt sich im „Genussheurigen am Stanihof“ deutlich nieder. Gemeinsam mit Ehemann Peter hat sie 2019 den Betrieb im Bezirk St. Pölten gepachtet – und die traditionell deftige Speisekarte nicht ganz uneigennützig um pflanzliche Alternativen erweitert: „Ich will aber niemanden missionieren!“

Fünf bis sieben vegane Speisen

„Wenn wir früher selbst essen gegangen sind“, erinnert sich Küchenchef Peter Hruska, „konnte Niki meistens nur Beilagen essen, vor allem Kartoffeln und Gemüse. Und manchmal einen Salat, wenn er nicht mit Joghurt-Dressing angemacht war. Das wollten wir in unserem eigenen Lokal unbedingt ändern.“ Und zwar nicht mit Alibi-Angeboten, wie sie ergänzt: „Erst wenn du eine Auswahl von fünf, sechs, sieben Vor- und Hauptspeisen anbietest, können sich die Gäste ein ordentliches veganes Menü zusammenstellen.“ Inklusive veganer Mehlspeisen und Torten aus eigener Produktion: „Aber auch klassische Knödel, Nockerln, Pestos und Heurigenaufstriche machen wir selbst auf veganer Basis. Dafür haben wir in der Küche einen eigenen Platz eingerichtet, an dem rein vegan gearbeitet wird.“

Leicht, erinnern sich die Hruskas, war der Start nicht. Poppendorf ist mit knapp 160 Einwohnern eine Katastralgemeinde von Markersdorf-Haindorf und liegt rund zehn Kilometer westlich der Landeshauptstadt. „Uns wurde von allen Seiten abgeraten. Von unseren Freunden genauso wie von Ortsansässigen und sogar der Vorbesitzerin selbst. Der Tenor war: Vegan funktioniert in Wien, aber sicher nicht bei uns am Land.“

Tatsächlich blieben anfangs viele alteingesessene Gäste fern, obwohl das Angebot an herzhaften, hausgemachten Gerichten neben den veganen Alternativen bestehen blieb. Im Lauf der Zeit hat sich das Publikum aber nicht nur gewandelt, sondern sogar erweitert: „Während der Lockdown-Phasen hatten wir besonders treue Stammkunden“, erzählt Peter Hruska: „Omnivore, also Alles-Esser, können ja überall bestellen. Aber zu uns sind die Leute sogar aus Wien herausgefahren, um sich vegane Menüs abzuholen.“

Er erkennt im Verhalten seiner Gäste einen gesellschaftlichen Trend: „Die Menschen hinterfragen immer mehr, was sie eigentlich essen.“ Der 54-Jährige kann sich an Zeiten erinnern, als der Fokus in der entgegengesetzten Richtung lag: „Ich war vor 30 Jahren Geschäftsführer im mexikanischen Restaurant Taco im SCS-Multi­plex. Damals galt es als Erlebnisgastronomie, wenn die Speisen möglichst exotisch waren. Heute geht es um Regionalität. Die Gäste interessieren sich für die genaue Herkunft ihres Schnitzels.“

Im Falle des Stanihofs muss man dafür nicht erst in die Ferne schweifen: „Wir haben das Glück, dass wir hier im Mostviertel viele Produzenten in nächster Nähe gefunden haben.“ Die örtliche Jägerschaft etwa liefert heimisches Wild; Erdäpfel, Gemüse und Salate kommen ebenso aus dem fünf Kilometer entfernten Gerersdorf wie Schaffleisch und Schafskäse; Bio-Pilze werden in der Nachbarortschaft Nenndorf gezüchtet.

Generell suchen die Betreiber des Stanihofs einen engen – und wie im Falle von Bio-Gemüse-Produzent Stephan Teix sogar freundschaftlichen – Kontakt zu ihren Herstellern. „Wir kontrollieren sehr genau, was wir einkaufen“, erzählt Nicole Hruska. „Wir müssen darauf achten, dass die Waren wirklich zu hundert Prozent vegan sind.“ Ein schönes Beispiel für eine gelungene Kooperation ist jene mit der Bäckerei Käppl in Getzersdorf, die schon die Vorbesitzer des Stanihofs beliefert hat: „Sie haben für uns die Produktion der Wachauer-Weckerln so umgestellt, dass kein Schmalz mehr verwendet wird.“

Ethik als Disziplin

Regionalität allein ist den Hruskas aber noch nicht genug, für sie spielt auch die Ethik eine große Rolle in der Küchenphilosophie: „Wenn wir Fleisch verwenden, dann von ausgesuchter Qualität, also zum Beispiel Strohschwein oder Bio-Voralpen-Rind. Aber wir sind gerade dabei, auf Tierleid-freies Fleisch umzustellen“, sagt Peter Hruska, der zuvor die Taverne auf der Burg­ruine Aggstein betrieben und im Lauf seiner Karriere auch schon auf Haubenniveau („Zum Renner“ in Wien-Döbling) gekocht hat. Er gönnt sich eine Gedankenpause: „Mir ist klar, dass es nicht gänzlich ohne Tierleid gehen kann, wenn das Tier geschlachtet wird. Aber bis dahin sollte es zumindest ein stressfreies Leben führen.“

Letztendlich spielt die persönliche Verantwortung des Konsumenten eine entscheidende Rolle: „Dem Gast muss bewusst werden, dass ein ordentliches, nicht hormonbehandeltes Stück Fleisch eben nicht um 5,90 Euro als Schnitzel am Teller landen kann.“ Dass eine dahingehende Kennzeichnungspflicht der Lebensmittel über deren Herkunft zuletzt auch von der WKO abgelehnt wurde, stößt Hruska sauer auf: „Ich habe kein Problem damit, all unsere Lieferanten auf der Speisekarte aufzulisten. Unsere Gäste sollen gerne erfahren, woher das Essen auf ihren Tellern kommt.“
Eine der Hauptzutaten in der neuen, alternativen Stanihof-Küche stammt sogar aus eigener Produktion: Weil er mit der Qualität des handelsüblichen Seitans nicht zufrieden war, „haben wir so lange mit verschiedenen Salzen und Gewürzen herumprobiert, bis wir den gewünschten Geschmack erreicht haben.“

Diese Eigenkreation besteht zu zwei Drittel aus Vollkorn-Weizen und einem Drittel Vollkorn-Dinkel und ist nicht nur Basis des veganen „Gansels“, sondern spielt auch eine wichtige Rolle in zukünftigen Stanihof-Plänen: „Wir wollen zögerlichen Gästen die Möglichkeit geben, zu erkennen, dass vegane Speisen durchaus gut schmecken. Deshalb werden wir, wenn es nach Corona wieder erlaubt ist, neben veganen Silversterbüffets und Stammtischen auch zu einem veganen Ritteressen einladen.“

Text: Hannes Kropik