Wein für Fortgeschrittene, aber eben nicht nur

Gastronomie
16.06.2020

Von: Roland Graf
Das Nusserl des Neuburgers, die Pikanz des St. Laurent und die Leichtigkeit des Pinot Noir werden unterschätzt. Schade, denn Burgunder, zu ­denen auch der „Super-Star“ Chardonnay zählt, passen oft!

Das Podest, auf dem der Pinot Noir ruht, wird jährlich stärker fundamentiert. Spitzenpreise, die selbst mittlere Bordeaux als Schnäppchen wirken lassen, und geringe Verfügbarkeit haben dafür gesorgt, dass heimische Sammler sich kaum mehr lückenlos den legendären Franzosen widmen. Die abgehobene Preisentwicklung und der ewige Winzer-Stehsatz von der „Diva im Weingarten“ haben den Blauburgunder dem normalen Weintrinker ein wenig entrückt. Zumal er auch Weine ergibt, deren Raffinesse man ebenso wie die hellrote Robe erst einmal zu schätzen wissen muss. 

Superstar

Betrachtet man die Burgunder aber als Rebsorten-Familie, dann hat der rare Superstar auch recht umgängliche Cousins. Der Neuburger beispielsweise wird von vielen Gästen konsumiert, ohne dass sie es wissen. Denn in etlichen Kellern gilt die Sorte als Geheimtipp, wenn es um Frische im Weißwein geht. Botox für Beeren quasi. Und unter 15 % der Gesamtmenge ist das als „bezeichnungsunschädlicher Verschnitt“ auch erlaubt. Reinsortig hingegen beginnt der Neuburger gerade erst sich zu behaupten – vor allem das Burgenland hat hier mit teilweise alten Rebanlagen manche Überraschung parat. Ähnliches gilt für den St. Laurent, der eine würzige Alternative zum ewigen „Duo Rosso“ heimischer Weinkarten darstellt. Saftig wie Zweigelt und würzig wie Blaufränkisch, vereint er die beiden Publikumslieblinge aromatisch.

Ein Wein wie Klaus Kinski

Selbst der Chardonnay, unter allen Burgundern stets der Beliebteste, hat die Zeiten hinter sich, in denen er gnadenlos „überholzt“ wurde. Im Idealfall gelingt sogar die Gratwanderung aus Cremigkeit und Frische bei dieser Rebsorte. Und Grenzgänger sind alle in der Familie Burgunder: Reif soll etwa der Pinot Noir werden, aber das in Gebieten, die auch so kalt sind, dass die Nächte die Fruchtigkeit konservieren. Ätherisch, subtil, elegant, so wird der Blaue Burgunder dann beschrieben. Für manche Rotweinfreunde ist er schon fast zu leise. Doch gerade dieser Grenzgang, der in Weingarten und Keller alles verlangt, spornt die Winzer an. Und ergibt einen immer noch unterschätzten großartigen Sommer-Rotwein, der leicht gekühlt minütlich mehr von seiner Raffinesse zeigt.

Borderline

In diesem Borderline-Verhalten, dem aromatischen Grenzgang, treffen sich weiße und rote Burgunder wieder. Eine Kost-Notiz wie „salzige Butterkekse“ macht bei einem Chardonnay durchaus Sinn. Denn genau diese ungewöhnliche, aber umso stimmigere Kombination aus Tropenfrucht-Süße, Cremigkeit des Fass-Ausbaus (und immer öfter auch: langer Zeit auf der Hefe) und klarem Boden-Ton zeichnet auch das ewige Vorbild Burgund aus. Selbst „kleine“ und junge Appellationen wie „Mâcon Igé“ weisen diesen Zusammenfall der Gegensätze auf. In früheren Jahrhunderten bezeichnete man damit ein Attribut Gottes; so weit wollen wir nicht gehen. Ganz ohne Blasphemie ermittelte das Kost-Quartett die besten weißen und roten Burgunder für die Gastronomie. 

ÖGZ-Sieger 2020: Kategorie "Burgundersorten"

Wieder typisch!

Lebenskraft

Heiliger Laurentius!