So sind die Wiener Winzer durch die Krise gekommen

24.06.2021

 
Die Covid-Krise ist auch an Weinproduzenten nicht spurlos vorübergegangen. Wie die Winzervereinigung WienWein die Krise gemeistert hat, ist bemerkenswert.
Ein echter Wien-Wein geht nicht unter: Fritz Wieninger, Rainer Christ, Michael Edlmoser, Thomas Podsednik, Gerhard J. Lobner und Thomas Huber.
Ein echter Wien-Wein geht nicht unter: Fritz Wieninger, Rainer Christ, Michael Edlmoser, Thomas Podsednik, Gerhard J. Lobner und Thomas Huber.
Will Qualitätsstandards für Wiener Wein setzen: Die Winzervereinigung WienWein hat aus dem Gemischten Satz eine regionaltypische Rarität gemacht.

Gastronomen muss man über Krisen nichts erzählen. Das letzte und fast die Hälfte dieses Jahres waren ein Totalausfall. Die Krise ging aber auch an Weinproduzenten nicht spurlos vorüber. Die Wiener Winzervereinigung WienWein etwa musste von März 2020 bis März 2021 ein Umsatz-Minus von rund 25 Prozent gegenüber dem Jahr davor hinnehmen. Gemessen an den Problemen des Pandemie-Jahres ist das aber eine vergleichsweise gute Nachricht, die die Gruppe vor allem ihren entschlossenen Gegenreaktionen zu verdanken hat.

Digitalisierung im Eiltempo

Weil sich Kommunikation und Einkaufsverhalten während der Pandemie fast vollständig ins Internet verlagerten, rüsteten die WienWein-Winzer ihre digitalen Kanäle im Eiltempo auf. Webshops wurden eingerichtet, bestehende Online-Portale besser miteinander verknüpft, der digitale Auftritt in den sozialen Medien deutlich intensiviert. „Vor 2020 hatte der Online-Verkauf bei niemandem von uns eine große Rolle gespielt“, berichtet der neue WienWein-Obmann Rainer Christ, „jetzt wird das bleiben, weil die Konsumenten entdeckt haben, wie einfach man mit einem Klick Wein kaufen kann.“

Online first

Nicht nur die Endverbraucher sind ins Internet gewandert, sondern auch die Kontakte zu Händlern, Sommeliers und Gastronomen. Verkostungen quer durch das Sortiment, Jahrgangspräsentationen, Tastings zu bestimmten Themen – all das findet heute ganz selbstverständlich online statt. „Vor Corona hätte sich niemand vorstellen können, dass man etwas so Sinnliches wie eine Weinverkostung via Bildschirm durchführen kann“, stellt Winzer Fritz Wieninger fest, „inzwischen ist das Normalität, und alle wissen die Vorteile zu schätzen.“ Online-Tastings ersparen nämlich vor allem Zeit und weite Anreisen. Wieninger: „In der Früh bin ich im Weingarten, am Vormittag in einem Online-Tasting mit Moskauer Sommeliers, am Nachmittag arbeite ich im Weinkeller und am Abend diskutiere ich in einem Online-Meeting mit meinem New Yorker Händler. Klingt utopisch, ist aber Realität.“

Take away & Co

Die Mitglieder der WienWein-Gruppe hatten immer schon unterschiedliche geschäftliche Schwerpunkte. Weshalb die Pandemie bei jedem unterschiedliche Gegenstrategien erforderte. Bei Thomas Huber (Weingut Fuhrgassl-Huber in Neustift) beispielsweise spielt die Eigengastronomie seit jeher eine große Rolle, da machten sich die Schließungen besonders bemerkbar. Er reagierte mit einem bilderbuchreifen Take away Konzept, das sensationell gut angenommen wurde. Michael Edlmoser vom Weingut Edlmoser in Mauer kompensierte den Ausfall der Gastronomie durch starkes Online-Wachstum – und erlebte einen (corona-konformen) Abhol-Boom. Thomas Podsednik (Weingut Cobenzl) und Rainer Christ (Weingut Christ) konnten ihre Gastro-Einbußen durch erhöhte Präsenz im Lebensmittelhandel wettmachen. Gerhard J. Lobner (Weingut Mayer am Pfarrplatz) steigerte die Online-Absätze vor allem in Deutschland. Und Fritz Wieninger verzeichnete Zuwächse in den USA. Dabei unterstützten ihn gute Importeure, die selbst digital sehr aktiv waren.

Wie geht es weiter?

Die WienWein-Winzer haben sich gut auf die Post-Covid-Ära vorbereitet. Vor allem im Bereich des Weintourismus, der ordentlich in Schwung kommt. Einige haben das gastronomische Angebot erweitert (Weingut Christ), eine neue Buschenschänke im Weingarten errichtet (Weingut Edlmoser) oder einen neuen Weinshop samt weitläufiger Terrasse gebaut (Weingut Mayer am Pfarrplatz). „Für einen Wien-Urlauber sollte ein Besuch in einem unserer Weingüter oder Heurigen zum Pflichtprogramm gehören. Wir glauben, dass diese Art des sanften Genuss-Erlebnisses zurückkommt und sehen deshalb sehr optimistisch in diesen Sommer“, sagt Michael Edlmoser.

Sensationelle Wein-Jahrgänge

Optimistisch in die Zukunft blickt die WienWein-Gruppe auch aufgrund der zwei hervorragenden Jahrgänge, die sie in die Flaschen füllen. Speziell 2019 soll ein echter Jahrhundert-Jahrgang sein, bestätigen Weinexperten und Sommeliers in ganz Österreich. Viele Weine aus diesem Jahrgang durften glücklicherweise länger reifen, weil gerade im April und Mai 2020, als dieser Jahrgang üblicherweise auf den Markt gekommen wäre, europaweit die strengsten Lockdown-Bestimmungen herrschten.