Pitztaler Gletscher und Sölden planen Zusammenschluss

Tirol
05.07.2016

Von: Barbara Egger
Wenn die Seilbahnwirtschaft 120 Mio. Euro investiert, bedarf es vorab einer transparenten Haltung ­- in der Hoffnung, dass das Projekt genehmigt wird.
Geplantes Schizentrum
Geplantes Schizentrum
Unterhalb der gestrichelten Linie sind die neuen Lifte
Innerhalb der blauen Linien sieht man das neue Skigebiet zwischen Pitztal (rot, oben) und Sölden (links von roter Linie unten und oben links)

Die Tiroler Seilbahngrundsätze stecken ganz klar die Rahmenbedingungen für die Neuerschließung und Erweiterung von Tiroler Skigebieten ab. Das wissen die Betreiber Hans Rubatscher von den Rifflsee und Pitztaler Gletscherbahnen und Jakob Falkner von den Ötztaler Berg- und Gletscherbahnen und haben sich deshalb wie sie sagen, der Transparenz, der offenen Kommunikation und des laufenden Dialoges wegen mit den Behörden und Sachverständigen einem UVE-Verfahren (Umweltverträglichkeitserklärung) unterzogen.

Drei Jahre Planung

Dafür wurden 5.700 Seiten, 600 Pläne und 32-Sachverständigen-Gutachten verpackt in 5 Kisten von den beauftragten Planern und Experten der ILF Consulting Engineers (erfahren im Tiroler Kraftwerksbau) für die UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) dieser Tage bei den Behörden des Landes Tirol eingereicht. Dem voraus gingen drei Jahre Planung und 2 Mio. Euro Kosten. Jetzt prüft die Behörde die Vollständigkeit der Unterlagen. Anschließend liegt das Projekt zur öffentlichen Einsicht auf und dann kommt es zur mündlichen Verhandlung. Alles in allem kann das nun mehr laufende UVP-Verfahren bis zu neun Monate dauern. „Wir hoffen, dass es schneller geht“, so Jakob Falkner. Dann könne man schon 2017 zu bauen beginnen und es würden die Skigebiete Pitztaler Gletscher mit dem Skigebiet Sölden und dem Tiefenbach- und Rettenbach Gletscher miteinander verbunden. Ein langjähriger Wunsch im Pitztal wie im Ötztal würde in Erfüllung gehen.

Innerhalb bestehender Skigebietsgrenzen

Laut Projektunterlagen erfolgt diese Erweiterung innerhalb der bestehenden Skigebietsgrenzen, so wie es die Tiroler Seilbahngrundsätze vorsehen bzw. ist der vorgesehene Bereich seit dem Jahr 2005 durch eine Widmung der Tiroler Raumordnung zur  Erweiterung freigegeben und liegt unmittelbar zwischen den bestehenden Pistenanlagen der beiden Skigebiete. Durch den Zusammenschluss sollen allerdings insgesamt 64 Hektar Pistenfläche neu dazukommen. An Bahnen entstehen zwei Einseilumlaufbahnen mit 10er-Kabinen und eine Dreiseilumlaufbahn (3S-Bahn) sowie ein neues Skizentrum im Bereich der Braunschweiger Hütte mit Bergstation, Restaurant, Skidepot und so weiter. Das neue Skigebiet wäre dann über einen Skitunnel vom Rettenbach Gletscher (Ötztaler Seite) aus zu erreichen, vom Pitztal führt eine 3S Bahn vom Tal (St. Leonhard) hinauf zum Pitztaler Gletscher und von dort weiter in das Ötztal.

Keine Pistenbaumaßnahmen

Für die geplanten Pisten (95%) bräuchte es laut Betreiber keine Pistenbaumaßnahmen. Sie entstehen auf bestehenden Gletscherflächen. Neue Skiwege (5%) für die Zufahrtswege für den Bau und zur späteren Nutzung als Skiverbindungswege nach Zusammenschluss und der Skitunnel von Ötztal ins Pitztal müssten neu gebaut werden. Die insgesamt vierjährige Bauzeit würde sich in zwei Phasen gliedern, jede kostet ca. 60 Mio. Euro. Davon tragen die Pitztaler Gletscherbahnen mit rund 90 % die Hauptlast: Die Skigebietserweiterung erfolgt in erster Linie auf Pitztaler Boden. Dementsprechend sollen im Pitztal die derzeit 660.000 Winternächtigungen kräftig ansteigen und sich um  mehr als 100.000 erhöhen. Dadurch soll ein zusätzlicher Umsatz im Tal von 15 Mio. Euro generiert werden. Ähnliches wird für das Ötztal erwartet. Weitere 2 Mio. Euro sollen durch neue Tagesgäste lukriert werden. Die Bergbahnen selbst erwarten bereits im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss eine Umsatzsteigerung von rund 15 Prozent.

Bescheiden auftretende Seilbahner

Nun möchte man meinen, dass Seilbahner in Jubelstimmung verfallen, wenn sie ein derartiges „Jahrhundertprojekt“ präsentieren. Aber nein, man hat dazu gelernt. Etwa von Tiroler Kraftwerksprojekten, die sich in der Endlosschleife befinden, oder von diversen Liftprojekten und Erweiterungen, die von den Behörden, aber auch Umweltschützern, Landesumweltanwalt, Alpenverein und so weiter kritisch hinterfragt, ja immer wieder mit Vehemenz abgelehnt wurden und werden. Dementsprechend devot zeigten sich die Investoren bei der Präsentation des Projektes im Rahmen einer Pressekonferenz im Innsbrucker Hotel The Penz.

„Liftkaiser haben wir genug. Ich möchte aber klarstellen, dass es hier um die Region, um die Täler und vor allem die Menschen im Pitztal geht“, meinte Hans Rubatscher, Geschäftsführer der Rifflsee und Pitztaler Gletscherbahnen. „Mit dem Zusammenschluss kann man ein neues attraktives Angebot schaffen, das große Chancen und Synergien bietet und zu einer touristischen und wirtschaftlichen Aufwertung führt.“ Rubatscher sieht besonders für das Pitztal neue Impulse und Entwicklungspotential. Die Nächtigungszahlen im Pitztal stagnieren, bei einigen Betrieben sind sie rückläufig. „Das Pitztal ist ein strukturschwaches Tal und von Abwanderung bedroht. Mit dem Projekt entstehen an die 700 neue Arbeitsplätze. Das soll vor allem den jungen Menschen im Tal neue Perspektiven geben“, so Rubatscher.

Plädoyer für Sachlichkeit

Jakob Falkner, Geschäftsführer der Ötztaler Bergbahnen plädierte in seinem Eingangsstatement an die Presse für Sachlichkeit: „Wir wissen, dass es sensibel ist. Aber das Projekt macht wirtschaftlich Sinn, die touristische Logik liegt klar auf der Hand, beide Täler würden enorm profitieren und es würde nicht zuletzt die Marke Tirol stärken. Viele Länder beneiden uns um so eine Chance. Ich wäre sprachlos, wenn sie nicht genutzt würde.“ Die Argumente, so Falkner weiter, würden eindeutig für das Projekt sprechen, im Fußball-Jargon würde es 3:1 für den Zusammenschluss stehen. „Das ist eine Riesenchance. Wir bitten um sachliche und faire Berichterstattung.“

Um den Vorwurf des Liftkaisertums zu entkräften, stellten beide unisono klar. „Es wird für die Gesellschafter keine große Rendite geben. Das Projekt ist langfristig gedacht und die Investitionskosten enorm hoch“, so Rubatscher. Dass die vorgesehene Pistenfläche mit 64 Hektar zu groß sein könnte beziehungsweise die vorgesehene Widmung von 2005 sprengen könnte, dazu meinte Falkner: „Ich hoffe auf einen Schwenk. Niemand schließt Skigebiete zusammen und fährt bloß Lift. Wir haben von Beginn an mit offenen Karten gespielt. Es gibt auf dem Gletscher keine neue Pisten.“ Das sehen die Tiroler Grünen anders und haben sich bereits im Vorfeld gegen neue Pisten am Gletscher ausgesprochen und dies nach der erfolgten Projektpräsentation umgehend erneut bekräftigt. Im Koalitionspapier zwischen ÖVP und Grünen sei lediglich von einer Überspannung des Gletschergebietes die Rede. Die Projektbetreiber sehen das eingereichte Projekt hingegen als alternativlos. Es gibt keine abgespeckte Variante. Jetzt sind die Behörden am Zug.