Neue Diskussionen ums Rauchen

04.06.2018

Von: Thomas Askan Vierich
Die Stadt Wien lässt das Rauchergesetz von den Höchstrichtern prüfen: Umweltstadträtin Ulli Sima und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) haben in einer Pressekonferenz den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt. Damit soll die von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie gekippt werden. Unabhängig vom Ausgang des Volksbegehrens im Herbst. Immer mehr Gastronomen verzichten auf Ausnahmeregelungen zum Rauchverbot.
Jetzt geht's vor das Verfassungsgericht
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Argumentiert wird das Vorgehen in Sachen Rauchergesetz vor allem mit der nach Ansicht Wiens bestehenden Ungleichbehandlung. Denn es würden Arbeitnehmer an allen anderen Arbeitsstätten vor Passivrauch geschützt, in der Gastronomie jedoch nicht. Weiters wird argumentiert, dass Kinder und Jugendliche, die noch nicht rauchen dürfen, trotzdem Zugang zu den Lokalen hätten.

Laut Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk wird der VfGH im Rahmen eines „abstrakten Normenkontrollverfahrens“ mit der Materie beschäftigt. Das bedeutet, dass nicht anhand eines Einzelfalls geprüft wird. Von einer „Angemessenheit“ der Regelung könne keine Rede sein. Es bestehe eine Gefahr für alle Gäste, da auch die Nichtraucherbereiche betroffen seien. Die Verschlechterung sei nicht sachlich begründet und damit verfassungswidrig. 

Maßgeblicher Ansatzpunkt der Klage ist jedoch das Thema Ungleichbehandlung. Die für die Gastronomie definierte Ausnahme vom Rauchverbot am Arbeitsplatz sei unzulässig, ist man im Wiener Rathaus überzeugt. Es sei nicht ersichtlich, warum es dem Personal dort zuzumuten sei, von Passivrauch in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Mitarbeiter in Gastronomie haben keine Wahlfreiheit

Die Mitarbeiter hätten nämlich keine Wahlfreiheit. Sie würden – anders als die Gäste – ihren gesamten Arbeitstag dort verbringen. Auch dass die Ausnahmeregelung nicht für andere Bereiche wie Tanzschulen oder Kinos mit Ausschank gelte und damit eine ungleiche Behandlung vorliege, wird ins Treffen geführt.

Dort wo eine Ungleichbehandlung nötig sei, werde hingegen darauf verzichtet, erklärte der Jurist. Er ortete eine entsprechende „Unlogik“ im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern – die viel empfindlicher seien. Sie hätten jedoch wie Erwachsene unbegrenzten Zugang zum Raucherbereich, was laut dem Wiener Vorbringen problematisch ist.

Sima verwies auch auf jüngste Kontrollen in Nichtraucherbereichen von gemischten Lokalitäten. Dort sei die Belastung deutlich höher als erlaubt. In 62 Prozent der Überprüfungen seien Verstöße registriert worden.

Widerspruch seitens der Kammer

Die Wiener Gastronomievertretung sieht das erwartungsgemäß anders. Wolfgang Binder, Vertreter der Wiener Kaffeehäuser in der Wirtschaftskammer Wien, sagt in einer aktuellen Aussendung: „Wir sind weiterhin überzeugt, dass der mündige Bürger selbst wählen kann, ob er ein Raucherlokal aufsuchen möchte oder nicht. Weiters stimmen die Rahmenbedingungen für ein komplettes Rauchverbot nicht, vor allem im urbanen Bereich. Denn wenn Raucher vor die Lokale verdrängt werden, wie es beim kompletten Rauchverbot der Fall wäre, wären Konflikte mit Anrainern betreffend Lärm und Rauch vorprogrammiert“, so Binder.
„Und das Argument, dass sich die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz und somit ihre Arbeitsbedingungen nicht aussuchen könnten, ist in Zeiten wie diesen quasi nicht vorhanden. Denn Mitarbeiter werden in der Gastronomie händeringend gesucht und somit kann jeder sich sehr wohl aussuchen, ob er oder sie in einem rauchfreien oder einem Raucherbetrieb arbeiten möchte“, ergänzt Peter Dobcak, Obmann der Wiener Gastronomie.

Weiter diskutieren?

Man ist aber dennoch gesprächsbereit, es „droht“ ja auch noch das Volksbegehren im Oktober: „Wir möchten endlich Rechtssicherheit für die Gastrobetriebe. Es soll nicht laufend auf dem Rücken der Gastronomie ein ideologischer Streit ausgetragen werden. Wir möchten uns aber auf politische Aussagen verlassen und uns endlich wieder in Ruhe auf unsere eigentliche Kerntätigkeit konzentrieren können. Deshalb appellieren wir an die Politik: Lasst uns darüber reden und eine gemeinsame Lösung finden, die die Bedürfnisse der Gäste, Unternehmen und Arbeitnehmern berücksichtigt“, so Binder und Dobcak. 

Immer mehr Gastronomen in Österreich sind allerdings die Diskussionen längst leid und verbieten von sich aus das Rauchen in ihren Lokalen. 2795 haben sich bereits auf http://da.stinkts.net registriert, 677 allein in Wien.

25 Jahre Diskusssion

6. September 1992 : Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler (SPÖ) präsentiert in der ORF-“Pressestunde“ mehrere Vorhaben gegen das Rauchen. In der Gastronomie sollen demnach Nichtraucherzonen geschaffen werden.

12. August 2004 : Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) und der Obmann der Gastronomiesparte in der Wirtschaftskammer, Helmut Hinterleitner, geben die Einführung einer freiwillige Selbstverpflichtung bekannt: 30 Prozent der heimischen Speiselokale sollen bis Ende 2004 „rauchfreie Zonen“ einrichten, bis Ende 2006 soll der Anteil auf 90 Prozent gesteigert werden.

18. April 2007 : Das Gesundheitsministerium unter Andrea Kdolsky (ÖVP) kündigt nach Evaluierung der freiwilligen Selbstverpflichtung für die räumliche Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern eine gesetzliche Regelung an.

31. Oktober 2007 : Das Vorhaben, mit 1. Jänner 2008 das Tabakgesetz zu verschärfen, scheitert. Es gibt keine Einigung zwischen ÖVP und SPÖ, Kdolsky verzichtet vorläufig auf ein Gesetz. Eine sechsmonatige Nachdenkpause wird vereinbart.

30. April 2008 : Die Koalition unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) präsentiert im Ministerrat ihre Bestimmungen zum Nichtraucherschutz. Demnach soll ab 2009 ein grundsätzliches Rauchverbot in der Gastronomie gelten, unter bestimmten Voraussetzungen ist das Rauchen in abgeschlossenen Zimmern aber gestattet.

1. Jänner 2009 : Mit dem Tabakgesetz tritt ein „grundsätzliches“ Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Ausnahmen gibt es allerdings für abgetrennte Raucherzimmer, kleine Gaststätten und Betriebe, die wegen der neuen Regelung einen Umbau durchführen.

10. April 2015: Die Regierung einigt sich auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentieren den entsprechenden Gesetzesentwurf. Betriebe, die freiwillig bereits bis zum Juli 2016 auf rauchfrei umstellen, können als besonderen Anreiz eine „Prämie“ in Höhe des Restbuchwerts erhalten.

11. Dezember 2017 : ÖVP und FPÖ einigen sich bei den Regierungsverhandlungen auf eine Raucherregelung nach „Berliner Modell“. Das ab Mai 2018 ursprünglich geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie kommt demnach nicht. Gäste können weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt.

2. Februar 2018 : Die Ärztekammer meldet ihr Volksbegehren an, um das Rauchverbot in der Gastronomie doch durchzusetzen. Bis zur im April zu Ende gehenden sechswöchigen Unterstützungsphase werden bereits 591.146 Stimmen gesammelt. Als Eintragungswoche für das Begehren selbst wird schließlich der 1. bis 8. Oktober festgelegt. (APA)