Mehr Bier im Revier

Bier
03.10.2019

Wer aromatische Speisenbegleiter zu Wild sucht, wird beim Bier leicht fündig. Biersommelier-Staatsmeister Michael Kolarik-Leingartner hat für klassische Wildgerichte ein paar Pairingtipps für Ihren Betrieb parat.  
Wild ist als Spezialität im Herbst in der Gastronomie etabliert.

Herbstzeit ist Wildzeit ist Bierzeit. Das wissen Gastronomen, und sie wissen es für sich und ihre Betriebe zu nutzen. In großen Teilen Österreichs ist Wild als Spezialität im Herbst in der gesamten Gastronomie etabliert. Da liegt es nahe, sich über passende Biere Gedanken zu machen. Denn es muss nicht immer Wein sein. 

Saisonale Bierspezialitäten – ob vom Fass oder der Flasche – sind mittlerweile ganzjährig Fixpunkte in vielen österreichischen Betrieben. Leitungen und Positionen auf der Karte werden damit gern bestückt. Das können zur Gastgarteneröffnung etwa ein helles Zwickl, im Hochsommer ein Radler und im September ein Weizenbier vom Fass sein. Auch im Oktober und November – zur Wildzeit – wird das Bierangebot angepasst. „Wenn sich die Blätter verfärben, bekommen auch Biere mehr Farbe“, sagt der amtierende Biersommelier-Staatsmeister Michael Kolarik-Leingartner im Gespräch mit der ÖGZ. Sein Rat an Gastronomen in Sachen Bierauswahl: „Traut euch!“

Keine Raketenwissenschaft

Seit etwa 20 Jahren gibt es Herbstbiere. Brauer haben mit Röst- und Karamellmalzen ihre Rezepturen verfeinert, und das passt harmonisch zur Wildküche. Aber: „Man darf sich als Gastronom durchaus mehr trauen, als nur ein bernsteinfarbenes Lager auf die Karte zu setzen“, sagt Kolarik-Leingartner. Die Auswahl der Biere zu den Wildspeisen ist zwar keine Raketenwissenschaft, aber auch nicht ganz so einfach. Denn es gilt, Mundgefühl und einzelne Aromen der Speise – etwa Raucharomen bei einem leicht geräucherten Rohschinken oder Röstaromen bei einem gegrillten Hirschrücken – harmonisch mit einem Bier abzustimmen. 

Das gilt natürlich auch für Vorspeisen: Wild-Pasteten oder Terrinen (Schüsselpasteten) gehen dank ihres cremigen Mundgefühls spannende, geschmackliche Liebschaften mit Bier ein. Auch hier kann die Auswahl eines passenden Gegenparts in Form von Bier die Speise in neue Dimensionen heben und Gästen magische Momente bereiten. So vertragen beispielsweise lang anhaltende Aromen auch gerne alkoholreichere Biere, denn sie „reinigen“ den Mundraum. 

Neugier

Die Nachfrage der Gastronomen nach Bierspezialitäten ergibt sich laut Kolarik-Leingartner auch durch die Nachfrage und Neugier der Gäste, die immer öfter (saisonale) Spezialitäten ausprobieren wollen. Das gilt insbesondere fürs Jahresende: „Im Herbst ist die Nachfrage nach saisonalen Bierspezia-
litäten besonders hoch, sicher höher als bei Bockbieren im Winter.“ 

Die Akzeptanz beim Gast ist ebenfalls höher, weil man bei den Saisonbieren auch Produkte „bekannter“ Brauereien nehmen kann, etwa das Rote Zwickl von Ottakringer mit seinen Röstmalzaromen. Kolarik-Leingartner: „Das ist ein Produkt, das für den Gast im ersten Moment zugänglicher ist, weil es was Besonderes, nicht Alltägliches darstellt. Und weil ein Ausschlusskriterium, wie etwa ein zu hoher Alkoholgehalt, wegfällt.“ Die Akzeptanz ist höher, der Gast kann die saisonale Bierspezialität in gewohnter Menge trinken – ohne vorzeitige Ausfallserscheinungen. 

Die ÖGZ bietet als führendes Fachmedium Gastronomen gerne Hilfestellung für (fast) alle Lebenslagen und präsentiert einige klassische Wildspeisen mit passender Bierbegleitung.

Martini-Gansl mit Rotkraut und ­Erdäpfelknödel

Hirschgulasch mit Serviettenknödel

Rehrückenmedaillons mit Gin-Saft

Wildschweinragout mit ­Hagebuttensauce

Weitere Pairingtipps

Entenbrust: Nicht fett, geschmacklich nicht so intensiv. ­Profitipp: Kaltenhausener Maroni.
Wildschweinrohschinken mit Blattsalat: dezent mariniert, nicht zu essigsauer: Aecht Schlenkerla Rauchbier. Alternative: Bierschmiede Zunder, Rauchbier mit deutlich zarterer Rauchnote. 
Paniertes Wildschweinschnitzel: Wiener Lager.
Rehpastete: Belgisches Blond und generell trockene, kohlensäureintensive Biere. Diese helfen über die Vorspeise hinweg und verhindern ein zu intensives und vorzeitiges Völlegefühl.

Tipps vom Staatsmeister

• Helle Biere funktionieren nicht mit dunklen Saucen, da wird das Bier überfahren. 
• Als Universalbiere zu Wild zur Not geeignet: Trumer Herbstbier und Budweiser Dunkel. 
• Fettiges und durchzogenes Fleisch passt perfekt zu stärker karbonisierten Bieren. 
• Lang anhaltende Aromen benötigen stärkere Biere. 
• Gegrilltes zu röstaromatischen Bieren. 
• Kräuteraromen nicht mit Röstaromen kombinieren. 
• Umso dichter und cremiger das Mundgefühl einer Speise (z. B. Gulasch), desto dichter und cremiger sollte auch das Bier sein. 
• Raucharomen in der Speise können mit Raucharomen im Bier kombiniert werden. 
• Wichtig: Immer auf die Biertemperatur achten! Richtwert: Alkoholgehalt in Prozent = Grad Celsius.
Grundsatz: Gleiches mit Gleichem zu kombinieren, das ist harmonisch und das kleine Einmaleins des Foodpairings. Großes Kino ist aber, wenn sich beides geschmacklich vereint – auch wenn es auf den ersten Blick gegensätzlich zu sein scheint (z. B. bitter und süß, sauer und süß).

Zur Person

Michael Kolarik-Leingartner ist Diplom-Biersommelier und ausgebildeter Brauer. Als amtierender Biersommelier-Staatsmeister in Österreich ist er um die Positionierung des Stellenwertes von Bier bemüht, moderiert Verkostungen, verfasst Fachartikel und berät Gastronomen in den Bereichen Sortiment, Schankhygiene und Produktqualität. Er ist als Budweiser-Brand-Ambassador bei Del Fabro & Kolarik tätig.