Ein Logistikzentrum kann einen C&C-Markt nicht ersetzen

Großhandel
03.07.2019

Von: Thomas Askan Vierich
Über gelebte Regionalität, die neue Funktion eines C&C-Marktes und warum die Herkunft von Lebensmitteln immer wichtiger wird: Interview mit Eurogast-Geschäftsführerin Susanna Berner und Franz Sinnesberger jr., Geschäftsführer von Eurogast Sinnesberger
Susanna Berner und Franz Sinnesberger jr. auf der Baustelle des neuen Marktes.
Susanna Berner und Franz Sinnesberger jr. auf der Baustelle des neuen Marktes.

Warum baut Eurogast nach und nach seine C&C-Märkte zu Marktplätzen um?
Susanna Berner: Das Abholgeschäft ist extrem rückläufig. Wir sind mittlerweile bei rund 80 Prozent Zustellung. 
Franz Sinnesberger jr.: Der Gast-ronom hat immer weniger Zeit zum Einkaufen. Früher war für ihn der Einkauf ein Happening, da hat er Leute getroffen, sich Zeit genommen. Mittlerweile ist Zeiteffizienz wichtiger. Oft geht er auch gar nicht mehr selbst einkaufen, sondern schickt jemanden aus seinem Betrieb. Dazu kommt, dass die Logistik in der Zustellung immer besser geworden ist, wir haben viele neue Regionen erschlossen, die wir früher gar nicht beliefern konnten.

Dann könnte man die Märkte ja komplett zusperren?
Sinnesberger: Das wäre die radikalste Lösung, entspricht aber überhaupt nicht unserer Denkart. Für uns sind die Märkte die Visitenkarte unseres Unternehmens. Hier können wir zeigen, wie wir denken, wie wir agieren. Das kann eine graue Halle als Logistikzentrum nicht ersetzen. Dann sind wir austauschbar. Weil der Kunde nicht versteht, wie wir mit Lebensmitteln umgehen. Wie wir zum Beispiel in acht verschiedenen Temperaturzonen unser Obst oder Fleisch individuell reifen lassen.
Berner: Seit der Eröffnung der ersten Eurogast-Markthalle von Riedhart in Wörgl 2016 hat sich viel getan, das war sozusagen unser Pilotprojekt und Vorreiter. Nun, fast drei Jahre später, hat sich das Modell der Markthallen als zukunftsweisend erwiesen. 2018 eröffnete die neue Markthalle in Gmünd, und für 2019 steht Eurogast Sinnesberger in den Startlöchern für den Umbau. Langfristig sehen wir hier eine unheimliche Chance für die C&C-Märkte, die sich vom klassischen Abholmarkt hin zu einer Beratungsinstanz und einem Ideengeber entwickeln. Das Konzept der Markthallen stellt den C&C für die Zukunft komplett neu auf. Qualitative Beratung – vom Metzger bis zum Sommelier –, das wollen die Gastronomen und das kann kein Onlineshop ersetzen.

Warum passiert dieser Umbau nur nach und nach? Warum bauen Sie nicht sofort alle Märkte um?
Berner: Das neue Angebot wird sehr gut angenommen und wir freuen uns, dies auf ganz Österreich zu erweitern – aber jeder unser Mitglieder macht es auf seine individuelle Weise, das genau ist auch die Stärke von Euro-gast. Wir sind kein Konzern und stülpen keine Richtlinien über unsere Mitglieder, jeder hat die Chance, seine regionalen Gegebenheiten vor Ort zu nutzen und die Grundidee der Markthalle für seine Bedürfnisse individuell auszulegen. Die Idee und das Konzept ist immer das Gleiche, aber die Markthalle in Gmünd hat andere Vor-aussetzungen wie jene in Wörgl beispielsweise. 
Was wird das Besondere bei Sinnesberger sein?
Sinnesberger: Bei Eurogast Sinnesberger in Kirchdorf wurde im März mit den Umbauarbeiten gestartet, im Dezember wollen wir die neue Markthalle eröffnen. Der Umbau findet ja parallel zu unserem Tagesgeschäft statt, Quadratmeter für Quadratmeter. Wir können, anders als ein Hotel, nicht einfach ein paar Wochen zusperren. Allerdings haben wir das Gefühl, dass mehr Kunden denn je kommen … Die sind wohl neugierig und möchten wissen, was wir da tun. 

Wie wird sich der fertige Markt präsentieren?
Sinnesberger: Wir wollen die Kundenreise anders gestalten: Frische und regionale Produkte stellen wir an den Anfang, weil die den Gastronomen mehr interessieren als zum Beispiel Hygieneartikel. Wegen der Frischeartikel kommt er auch öfter zu uns. Und wegen unserer regionalen Produkte, die wir extrem ausbauen wollen: nachhaltige Lebensmittel mit Geschichte und Herkunft. Wir werden andere Produkte im Angebot haben als zum Beispiel Riedhart in Wörgl.
Berner: Es gibt ein Sortiment von Eurogast, das wir zentral für ganz Österreich einkaufen. Aber jedes Eurogast-Mitglied hat als selbstständiges Unternehmen zusätzlich seine eigene Einkaufsabteilung. Und hier fokussiert man ganz auf regionale Produzenten.
Sinnesberger: Bei uns sind das zum Beispiel viele regionale Milch- und Käseanbieter. Obst und Gemüse kaufen wir gemeinsam mit unseren Eurogast-Partnern tirolweit ein, also immer noch regional. Im Sommer können wir uns dabei komplett aus der Innsbrucker Gegend versorgen.
Berner: Wir machen mittlerweile rund 40 Prozent unseres Umsatzes online, bei einigen Märkten sogar über 50 Prozent. Da ist der persönliche Kontakt umso wichtiger, die Beratung vor Ort. Deshalb richten wir in unseren Märkten Kommunikationszonen ein. Dort kann dann auch verkostet werden. Das kann ein Bistro sein oder wie bei Sinnesberger ein Café mit Barista.
Sinnesberger: Kaffee steckt in der DNA der Familie Sinnesberger. Wir haben früher selbst geröstet. Das greifen wir jetzt wieder auf – mit einem Kaffeehaus in moderner Sprache. Dort spielen wir das Thema Kaffee in all seinen Facetten – vom Espresso bis zum Filterkaffee. Mit Kaffeemarken, die es zum Teil nur bei uns gibt, oder mit monatlich wechselnden regionalen Röstereien.

Sie haben mit den letzten Eurogast-Kampagnen rund um das Thema Fleisch auf Qualität gesetzt: Haben Ihre Kunden das honoriert? Ist der Gastronom bereit, mehr Geld für eine höhere Fleischqualität auszugeben?
Berner: Fleisch ist nicht gleich Fleisch, und gerade in der Gastronomie ist man mit immer besser informierten Gästen konfrontiert. Damit Fleisch seine volle Intensität entfalten kann, muss von Anfang an alles passen: von der Zucht über speziell an die Rasse angepasste Fütterung bis zur Reifung und weiteren Verarbeitung des Fleisches. Genau mit diesem Credo geht Eurogast Österreich an das Thema Fleisch heran und hat einen „Genuss 360“-Schwerpunkt auf das Thema Rind gelegt. Hierbei spielt nicht nur die Qualität des Fleisches eine entscheidende Rolle, sondern vor allem die Verarbeitung durch die Metzger, die für die Qualitäten wesentlich mitverantwortlich sind. Wir zeigen damit den wesentlichen Qualitätsunterschied für unsere Kunden auf, der einen mehrfachen Nutzen mitbringt: erstklassige Produkte, die perfekt von Profis verarbeitet werden und auf die sich der Gastronom zu 100 Prozent verlassen kann. Diese Faktoren sind den Gastronomen viel wert, denn die Gäste werden auch immer anspruchsvoller.

Worum wird es in Ihrer nächsten Kampagne gehen?
Berner: Nachdem unser „Genuss 360“-Schwerpunkt Rind aus dem letzten Jahr so erfolgreich war und wir hier noch viele spannende Themen und Produkte haben, werden wir das auch 2019 weiterführen.
Generell versuchen wir aber die Positionierung von Eurogast mehr in den Vordergrund zu stellen: Die regio-nale Verankerung unserer Mitglieder, das Vertrauen, das man nicht kaufen kann, und die Qualität in der Beratung. Und das wird in Zeiten, in denen die Gastronomie händeringend um qualifizierte Mitarbeiter kämpft, immer wichtiger.

Immer wieder wird eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie gefordert. Was ist Ihre Meinung dazu?
Berner: Das ist für Eurogast eine Grundvoraussetzung. Unser Geschäft basiert auf Ehrlichkeit und Vertrauen, und wenn ich das meinen Kunden und in weiterer Folge deren Kunden, den Gästen, glaubhaft vermitteln kann, habe ich gewonnen. Ganz persönlich bin ich auch der Meinung, dass ich, wenn ich in einem Restaurant esse, auch das Recht habe, zu wissen, woher mein Essen kommt.

Wie wird sich der Großhandel in 20 Jahren präsentieren?
Berner: Top-Qualität, Frische und Regionalität – das ist es, was Gastronomen heutzutage vom Großhandel erwarten, und das wird sich in Zukunft noch verstärken. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzt sich Eurogast stets für innovative Marktlösungen ein und sucht Partner, die auch nach diesen Grundsätzen leben. Der Bau der Markthallen ist ein erster Ansatz dazu, bestellt wird in 20 Jahren vermutlich nur mehr online, da gibt es aus meiner Sicht keine Diskussion. Aber ich brauche Meeting Points, Treffpunkte, wo man sich austauschen kann, wo man beraten wird und, nicht zuletzt, wo ich die neuesten Trends und Produkte sehen kann. Wir sind kein internationaler Konzern, sondern sitzen direkt bei unseren Kunden, wissen damit, was sie brauchen, was sich ihre Gäste wünschen und können unmittelbar darauf reagieren – das wird auch in 20 Jahren noch das Wichtigste sein