Die Grandezza kehrt zurück nach Bad Gastein

19.09.2019

Von: Thomas Askan Vierich
In den letzten zwanzig Jahren war die Entwicklung des „Weltkurorts“ Bad Gasteins ein Trauerspiel. Doch das kann sich jetzt ändern. Ein Lokalaugenschein macht Mut
Dinner bei Kerzenschein im alten Speisesaal des Hotel Straubinger mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Bürgermeister Gerhard Steinbauer (beide in der Mitte des Bildes im Gespräch)
Dinner bei Kerzenschein im alten Speisesaal des Hotel Straubinger mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Bürgermeister Gerhard Steinbauer (beide in der Mitte des Bildes im Gespräch)

Leerstand, blinde Fenster in einstmals prächtigen Gebäuden. Nur der berühmte Wasserfall rauscht ohrenbetäubend wie anno dazumal. Das historische Zentrum von Bad Gastein glich lange einer etwas morbiden Geisterstadt. Jetzt hat man einen seriösen Investor gefunden, der zumindest drei der jahrelang leer stehenden historischen Gebäude revitalisiert und als Hotels bzw. Tagungsgebäude wiedereröffnet. Und das Ganze am zentralen, geschichtsträchtigen Straubinger Platz. Es geht um das ehrwürdige Grandhotel Straubinger, das Badeschloss (ehemals kaiserliche Badeanstalt, später Hotel) und die Alte Post.

Grandezza mit blätterndem Putz

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was sich hier entwickeln kann, lud Investor Hirmer Immobilien und seine Betreibergesellschaft Travel Charme Hotels zu einer Ortsbesichtigung. Erstmals seit vielen Jahren konnte man das berühmte Hotel Straubinger wieder betreten. Seit knapp 20 Jahren war das ehemals mondäne Hotel, das seit Anfang des 19. Jahrhunderts unzählige Berühmtheiten von Johann Strauss bis Liza Minelli beherbergt hatte und viel zum legendären Ruf des „Weltkurorts Bad Gastein“ beigetragen hat, leer gestanden.

Und das sah man beim Rundgang natürlich. Blätternder Putz, uralte sanitäre Anlagen, Etagenbäder (bis in die 1990er Jahre noch in Betrieb!), aber wenige wirkliche Bauschäden, stattdessen erstaunlich viel gut erhaltene Substanz bis hin zu einzelnen Möbelstücken. Das bestätigten auch die Architekten von BWM, die mit der Revitalisierung beauftragt sind. „Wir wollen hier keine Tabula Rasa veranstalten, sondern im Gegenteil möglichst viel der überwältigenden Qualität erhalten“, sagt Markus Kaplan von BWM. Das könne durchaus bis hin zu den Sitzbadewannen im alten Thermalbad im Untergeschoss aus dem 19. Jahrhundert gehen. „Der Spirit der Geschichte soll nicht zugekleistert werden.“ Im „Backoffice“-Bereich, Küche, Technik, soll und muss jedoch radikal umgebaut werden, um einen zeitgemäßen und wirtschaftlichen Hotelbetrieb in der 5-Sternekategorie mit 50 Zimmern gewährleisten zu können. Das Straubinger war ja zu seiner Blütezeit ein durchaus modernes Hotel, mit internationalem Lesesalon und Damencafé, damals echte Neuerungen. Auch daran möchte man anschließen. Deshalb wird die rückliegende Dachterrasse mit atemberaubendem Panoramablick ins Gasteiner Tal zum Außenpool umgebaut. Ein echter Hingucker – für alle Gasteiner Besucher.

Der Spirit der Geschichte

Besonders eindrücklich und mit Händen zu greifen wird der „Spirit der Geschichte“ und die „überwältigende Qualität“ des Hotels im alten Ballsaal, der noch in seiner 100 Jahre alten Pracht erstrahlt – auch wenn einige der Spiegel schon angelaufen sind, der Putz an einigen wenigen Stellen von der Decke blättert und der prächtige Kronleuchter noch vor kurzem gestohlen wurde.  Aber das Raumgefühl, das Erlebnis, hier zu speisen und zu feiern, ist auch jetzt atemberaubend. BWM-Geschäftsführer Erich  Bernhard gestand spontan gegenüber der ÖGZ, dass er ernsthaft überlegt, alles so zu belassen.

Es könnte durchaus sein, dass die Investoren aus München, bekannt für ihre anspruchsvolle Herrenmode, bei solch unkonventionellen Ideen mitspielen. Matthias Brockmann, der neue Geschäftsführer von Travel Charme, einer deutschen Hotelgruppe mit bislang neun Häusern überwiegend an der mecklenburgischen Ostseeküste, hat den klaren Auftrag vom neuen Eigentümer Hirmer, die wirtschaftlich gut dastehende, aber etwas verstaubte Gruppe zu beleben. Jedes Haus soll seine eigene Geschichte erzählen und sich so profilieren.

Das geht natürlich in Bad Gastein im Überfluss und dieses Potenzial soll auch genutzt werden. Das Badeschloss soll mit zu errichtendem Zubau Platz für rund 100 Zimmer bieten und ein eher urbanes, jüngeres Publikum ansprechen. Man will das Thema „Baden“ hier neu und überraschend interpretieren. In der Alten Post, die bis zu ihrer Stilllegung tatsächlich ein Postgebäude war, soll die alte Funktion der Kommunikation mit niederschwelliger Gastronomie und Seminaren interpretiert werden. Deshalb passt die Gasteiner Investition ins neue Portfolio von Hirmer und Travel Charme. Deshalb haben sie die Häuser dem Land Salzburg, das die drei vom endgültigen Verfall bedrohten Immobilien 2017 zwischenzeitlich erworben hatte, im November 2018 für 7,5 Millionen Euro abgekauft. Womit das Land „eben“ ausgestiegen ist, man bekam so auch die runde Million zurück, die man in den Erhalt der Gebäude investiert hatte. Insgesamt will Hirmer einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag in alle drei Häuser investieren. Und verspricht auch den Straubinger Platz, um den diese drei Gebäude angeordnet sind, als altes Ortszentrum von Bad Gastein wiederzubeleben – als verkehrsberuhigte Begegnungszone. Hier sollen Tische stehen, Gastronomie und kleine Läden für Belebung sorgen. So wie das früher schon einmal war, wie man auf alten Fotos sehen kann.

Mit Tränen in den Augen

Dazu passt dann auch das Verkehrskonzept der Gemeinde mit einem 400 Meter langen unterirdischen Fußgängertunnel inklusive Förderband zum Bahnhof, das bis zur Eröffnung der drei Hotels 2023 fertig sein soll. Andere hochfliegende Pläne wie eine Seilbahn über dem Ort oder gigantische Rolltreppen sind vom Tisch. Man sieht Bürgermeister Gerhard Steinbauer die Erleichterung an. Er gibt zu, dass er bei der Vertragsunterzeichnung mit Hirmer am 2.11.2018 tatsächlich Tränen in den Augen hatte. „Ich habe ja den Niedergang Bad Gasteins in meiner Funktion als Bürgermeister seit 2004 aus nächster Nähe mitansehen müssen.“ Mit großteils gebundenen Händen, weil man an den Alteigentümern aus Wien einfach nicht vorbeikam. Wobei der Niedergang eigentlich schon in den 1970er Jahren eingesetzt hatte. Man lebte – auch im Hotel Straubinger – von der Substanz und scheute sich vor Investitionen. Als die Großinvestoren aus Wien kamen, war der „Weltkurort“ Bad Gastein schon Geschichte. Vielleicht empfing man sie deshalb anfänglich als „Retter von Gastein“ mit offenen Armen.  Der Wiener „Garagenkönig“ Franz Duval und der Wiener Architekt Franz Wojnarowski erwarben zwischen 1999 und 2005 die drei Gebäude nebst Kongresszentrum und Haus Austria, mit dem Versprechen die Häuser zu revitalisieren. Statt zu investieren, haben sie jedoch andere willige Investoren durch immer höhere Kaufsummen abgeschreckt. Bis ihnen die Gemeinde mit allen juristisch zur Verfügung stehenden Mitteln die Daumenschrauben angesetzt hatte. Man drohte mit immer höheren laufenden Kosten, zu denen sich die Alteigentümer verpflichten mussten. Schließlich fand man mit dem Land Salzburg einen Partner, der mit dem Duval-Erbe endlich handelseinig werden konnte.

Das war für Landeshauptmann Wilfried Haslauer durchaus eine politisch riskante Situation, wie er beim Ortstermin freimütig zugab. „Aber wir hatten große Sorge, dass hier ein Kulturgut unwiederbringlich kaputt geht.“ Damit hatte er den entscheidenden Schritt gesetzt, damit Bewegung in die verfahrene Situation kam. Mit Hirmer Immobilen und Travel Charme hat man schließlich einen Investor gefunden, der weder „exotisch“ ist, noch hier Zweitwohnsitze errichten will. Beides wollte man unbedingt vermeiden. Man kannte sich von anderen Projekten von Travel Charme im Land Salzburg. Das modern gestaltete Bergresort Werfenweng eröffnete Travel Charme 2012 und in Strobl am Wolfgangsee plant man schon länger ein Hotel mit 112 Zimmern. Das Projekt wird jetzt nach der Übernahme der Travel Charme durch Hirmer auch wirklich umgesetzt, man hat die alte Planung noch einmal überarbeitet. Eröffnet werden soll im Winter 2022 mit 119 Zimmern, einer Rooftop-Bar, Dach-Spa mit Outdoorpool, Seerestaurant und einer Verlegung der alten Bundesstraße.

Endlich Aufbruchstimmung

Jetzt könnte es auch in Bad Gastein Schlag auf Schlag gehen, es herrsche „Aufbruchstimmung“, sagt Bürgermeister Steinbauer: Das benachbarte Hotel Mirabell konnte vor Kurzem an einen seriösen Investor verkauft werden, die südamerikanische Hotelgruppe Selina adaptiert gerade ein altes Belle Epoque Hotel für junge Leute. Noch stehen weitere Hotels in Bad Gastein leer, aber Steinbauer ist zuversichtlich, dass man für die jetzt auch neue Eigentümer finden wird. Einige könnte man auch zu Mitarbeiterhäusern umbauen. Schwelende Wunden bleiben natürlich das denkmalgeschützte und leerstehende Kongresszentrum aus einer eher „brutalen“ Beton-Architekturepoche und der „Schandfleck“ des Parkhauses aus dem Jahr 1969, das den alten Ortskern überragt. „Das können wir nicht einfach abreißen, wir brauchen ja tatsächlich ein Parkhaus“, sagt Steinbauer gegenüber der ÖGZ.

„Ich habe mich noch nie so auf eine Baustelle gefreut“, sagt er dann auch noch. Noch sind nicht alle Baugenehmigungen erteilt, aber der Geschäftsführer von Hirmer Immobilen, Daniel Eickworth, plant mit einem Baubeginn im Herbst 2020. Die Architekten von BWM sehen bei allen Herausforderungen bautechnisch keine größeren Probleme. Die Auflagen des Denkmalschutzes konnten im Vorfeld schon geklärt werden und BWM hat ausreichend Expertise gerade beim Umbau denkmalgeschützter Häuser. Es scheint ganz so, dass sich hier wirklich auf allen Ebenen mutige Leute zusammengefunden haben, die wissen was sie tun. Auch wenn die Aufgabe anspruchsvoll ist. Um es gelinde auszudrücken. Aber der Wille, das Geld und die Kompetenz sind vorhanden.

Anmerkung nach dem Presserecht: Der Autor weilte auf Einladung von Hirmer in Bad Gastein