Der Rennfahrer als Hotelier

Red Bull
19.09.2017

Von: Daniel Nutz
Als Boss des Formel-1-Teams von Red Bull klopft Helmut Marko markige Sprüche und steht im Rampenlicht. Weniger bekannt ist er dagegen als Hotelier. Die ÖGZ besuchte ihn in Graz.
Der Grazer Hotelier Helmut Marko (l.) in seinem „Nebenjob“ als Formel-1-Manager mit dem vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel.
Der Grazer Hotelier Helmut Marko (l.) in seinem „Nebenjob“ als Formel-1-Manager mit dem vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel.
Helmut Marko in der Lobby des Schlossberghotels in Graz.

Geht es besser, geht es schneller? Diese Fragen beschäftigen Helmut Marko tagein, tagaus. In erster Linie als Verantwortlicher des Formel-1-Teams von Red Bull, wo er sich mit seinem Ingenieurs­team auf die Suche nach Hundertstelsekunden begibt. „Diese Suche nach Verbesserung habe ich auch als Hotelier in mir“, sagt der 74-Jährige und nimmt auf einem großen Sofa vor zwei Nitsch-Gemälden Platz. Marko sitzt in der Lobby seines Schlossberghotels. Man fühlt sich hier wie in einem Museum moderner Kunst. Maria Lassnig, Max Weiler oder Hermann Nitsch: Die Wände sind, in aktuellen Marktwerten gemessen, millionenschwer behangen. Kunsthotels mit Exponaten aus seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst ist das Konzept, das der Hotelier Helmut Marko verfolgt. Erfolgreich. Mit dem Augarten Art Hotel und dem neueröffneten Lendhotel setzte Marko weitere Impulse in der Grazer Hotellerie. Doch wie kommt es, dass der ehemalige Rennfahrer und erfolgreiche Rennsport-Manager zu einem der Top-Hoteliers von Graz wurde? 

Abruptes Ende 

Der vielleicht einschneidendste Tag in Markos Leben war der 2. Juli 1972. Beim Großen Preis von Frankreich traf dem aufstrebenden Rennfahrer Helmut Marko ein von einem Vorderauto aufgewirbelter Stein so unglücklich am Helm, dass er am linken Auge erblindete. Mit einem Vorvertrag des prestigeträchtigen Rennstalls Ferrari in der Tasche musste Marko seine Rennfahrerkarriere abrupt beenden. „Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen“, sagt Marko heute. Er habe nicht gewusst, was er außer dem Rennsport mit seinem Leben anfangen solle. Vielleicht war es ein Vorteil, dass sein Vater die Unterstützung von Markos Rennfahrerkarriere davon abhängig gemacht hatte, dass sein Sohn auch ein Studium abschließt. Marko promovierte 1967 in Jus und jobbte nach seinem Unfall als Manager diverser Rennfahrer. Dass er 1982 das Schlossberghotel aufmachte, lag letztlich an ein paar guten Freunden.

„Ich halte nichts von diesen klassischen Lebensläufen.“
Helmut Marko

„Die Freunde beklagten sich, dass es in ganz Graz kein gutes Privathotel gäbe. Und meinem Vater gehörte die Immobilie am Schlossberg. Ich entschloss mich, daraus etwas zu machen“, erklärt Marko seinen Einstieg in die Hotellerie. Dem Rennsport blieb er daneben immer verhaftet. 2005 kehrte er als Motorsport-Chef an vorderster Front in die Formel 1 zurück, nachdem der Getränkehersteller Red Bull das Jaguar-Team übernommen hatte. Zur Überraschung und zum Ärger der alteingesessenen Teams feierte das „Dosenteam“ seither vier WM-Titel. 
Anspruchsvoller Chef
Ob neben dem Job bei Red Bull überhaupt noch genug Zeit für seine Hotels bleibt? Marko entgegnet auf diese Frage mit einem Lachen. „Fragen Sie meine Mitarbeiter!“ Zwar verbringt Marko rund 30 Wochenenden pro Jahr mit dem Formel-1-Zirkus, aber meistens sitzt er am Montagmorgen wieder in seinem Grazer Büro, von wo aus er seine Geschäfte zentral steuert. Wie Cornelia Trantura, die 23-jährige (!) Direktorin des Lendhotels bestätigt, sieht Marko mehrmals die Woche im Haus nach dem Rechten. Bei so einem Chef sei man immer gefordert, sagt sie. Marko bezeichnet sich selbst als anspruchsvollen Vorgesetzten. Aber als einen, der versucht, das Beste aus seinen Leuten zu kitzeln. Das hat er in der Formel 1 bewiesen, wo er die Talente von Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo oder Max Verstappen erkannte und förderte. Und so macht er es auch in seinen Hotels. Seine drei Häuser lässt er von Direktorinnen führen, die gerade 31, 26 und 23 Jahre alt sind. Bei Personalfragen vertraut er jungen Leuten und auch Quereinsteigern: „Ich halte nichts von diesen klassischen Lebensläufen. Ich habe Mitarbeiter, die haben nicht mal einen Hauptschulabschluss, gehören aber zu meinen besten. Hausverstand und Erfahrung sind mir wichtig.“

Projekt in Grazer Innenstadt

Helmut Marko ist keiner, der anderen gefallen will. Das merkt man in seinen Interviews als Rennchef, in denen er meist trocken von der Leber redet. Das kommt auch beim Hotelier herüber. Er sei ein Egoist und Eigenbrötler, sagt er über sich selbst. Wenn Projekte zu langsam vonstatten gehen, verliert er schon mal die Geduld. Etwa, wenn es um die Auflagen und Bauvorschriften für sein neues Hotelprojekt geht. Von der Architektin des Lendhotels Nicole Lam würde er gerne ein weiteres Hotel in der Grazer Altstadt entwickeln lassen. Doch es spießt sich. „Mir wäre es ja schon zu blöd, aber Nicole Lam kämpft noch für das Projekt“, sagt Marko. Gedenkt Marko das Projekt wirklich zu stoppen, oder ist es nur Verhandlungskalkül? So ganz genau kann man das beim 74-Jährigen nie sagen. Fest steht, dass er mit seinem unorthodoxen Weg bislang gut gefahren ist. Ob es daran liegt, dass man als Rennfahrer immer an die Grenzen gehen will? Zu seiner aktiven Zeit sei das vielleicht so gewesen. Da sei man noch zwischen Leben und Tod gewandelt. Das gibt es heute nicht mehr. Mehr Inspiration hat ihm da immer der Umgang mit Künstlern gegeben. Die machen ja auch etwas Extremes. Sie opfern ihr Leben ihrem Schaffen. 

Zwölf Stunden hat der Arbeitstag von Helmut Marko. Aber wenn Arbeit eine Erfüllung ist, dann schaut man nicht auf die Stechuhr. „Ich gehe ja schon lange nicht mehr auf Matura­treffen, weil dort seit Jahren viele nur mehr die Jahre bis zur Pension zählen“, sagt er. Marko – Vater von drei erwachsenen Kindern – sieht das anders. So lange die Gesundheit mitspielt, will er seine Jobs noch weitermachen. Und in der Freizeit? Südlich von Graz bewirtschaftet er ein 300 Hektar großes Forstgebiet. Die Arbeit dort sei Freizeit und Entspannung, sagt er.