Das Entscheidende ist die Unternehmenskultur

Arbeitsmarkt
18.12.2018

Von: Thomas Askan Vierich
Wie kann man im Tourismus gute Mitarbeiter finden und halten? Ein runder Tisch mit Gastronomen und Hoteliers, organisiert vom FCSI und der ÖGZ.  
Sechs Diskutanten und zwei Moderatoren am Kopfende: Hildegard Dorn-Petersen und Thomas Askan Vierich.
„Bei Bewerbungen  entscheidet es sich schon in den ersten  Sekunden, ob jemand  bei uns anfängt oder nicht.“  Michaela Reitterer
„Ich weiß oft genau,  warum manchen Betrieben die Mitarbeiter fehlen. Weil die noch die Unternehmenskultur ihrer Großmutter pflegen.“  Mario Pulker

Wo zwickt es bei Ihnen im Betrieb, und welche Erfahrungen haben Sie bei der Mitarbeitersuche gemacht?
Jennifer Salchenegger: Wir beschäftigen momentan 62 Mitarbeiter in mehreren Lokalen in Wien. Wir haben immer wieder mal Baustellen. Bei der Übernahme des Betriebs von unseren Eltern hatten wir große Probleme in der Küche, weil es viele Wechsel gegeben hat. Dann betraf es mal das Reinigungspersonal, dann war beim Service der Knopf drin. Jetzt haben wir gerade Engpässe in der Abwasch. 

Georg Pastuszyn: Wir haben im Hotel Das Capri knapp 30 Mitarbeiter und auch immer wieder Baustellen. Aber wir tun uns beim Nachbesetzen nicht sonderlich schwer. Was vielleicht daran liegt, dass wir im Kernteam sehr stabil sind, die Leute bleiben im Schnitt 2,8 Jahre bei uns. Und wir sind schon vor längerer Zeit dazu übergegangen, nach Persönlichkeit auszuwählen und nicht mehr nach Fachqualität. Wir sind eigentlich ein Ausbildungsbetrieb geworden.

Für Quereinsteiger?
Pastuszyn: Komplett!
Michaela Reitterer: Wie wir!
Pastuszyn: Es ist viel wichtiger, dass die Leute das Dienstleistungsgen haben, die richtige Einstellung, dass ihnen der Job Freude macht, dass sie zu uns und unserem Team passen. Man muss dafür bereit sein, in sie zu investieren. Man muss Zeit und Geduld mitbringen. Ihnen Vertrauen und Wertschätzung schenken. Dann zahlen sie das allemal zurück. (allgemein zustimmendes Gemurmel)

Herr Pulker, wie ist es am flachen Land in der Wachau?
Mario Pulker: Wir sind ein reiner Saisonbetrieb, von April bis November. Qualität ist ein Problem, nicht die Quantität der Bewerber. Deshalb haben wir massiv in unsere Führungskräfte investiert und beschäftigen zum Beispiel unseren Küchenchef das ganze Jahr. Wir haben zwar auch vierzig Zimmer, aber das Restaurantgeschäft ist für uns zentral. Mein Küchenchef ist jetzt das neunte Jahr bei mir. Zwei Servicemitarbeiterinnen, die lange bei uns waren, sind in Pension gegangen. Das hat wehgetan, weil wir sie eigentlich nicht adäquat ersetzen konnten.

Dass jemand in der Gastronomie in Pension geht, ist ja eher ungewöhnlich …
Pulker: Allerdings. Beide haben zum Schluss gesagt, dass sie immer gerne in der Branche gearbeitet haben, aber die Gäste seien zunehmend ein Problem geworden, weil die Wertschätzung gegenüber dem Personal fehlt. Wir sind ein Ausflugslokal mit großer Terrasse …
Reitterer: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben im Schnitt 3,3 Jahre bei uns. Die Zahlen wären noch besser, aber wir haben viele junge Frauen, und die werden nun mal schwanger ... Bei Bewerbungen entscheidet es sich schon in den ersten Sekunden, ob jemand bei uns anfängt oder nicht. Und es ist nicht die Qualifikation, die hier entscheidet. Es ist der erste Eindruck, die Offenheit und auch die Einstellung zu unserem nachhaltigen Konzept. Noch wichtiger: die Bereitschaft, jemanden anderem eine Freude machen zu wollen, einfach gerne Gastgeber zu sein. Alles andere kann man lernen. 
Bettina von Massenbach: Die Leidenschaft, die damit verbunden ist!

Und diese Leidenschaft darf man dann auch nicht enttäuschen, oder?
Reitterer: Da haben wir viel Zeit und auch Geld investiert in den letzten Jahren. Nicht nur, um die Prozesse neu festzulegen. Bei uns gibt es sogar eine fixe Agenda für einen 13- oder 14-jährigen jungen Menschen, der zu uns drei Tage zum Schnuppern kommt. 

Und es kommen welche in dem Alter zum Schnuppern?
Reitterer: Ja, ja, ganz viele! Wir haben gerade eine Bewerbung für den Februar. Da müssen wir aber bei uns im Haus Teppiche verlegen. Das ist vielleicht nicht der optimale Zeitpunkt für ein Kurzpraktikum. Wir lassen ihn trotzdem kommen. Wir müssen in unsere Zukunft investieren.

Und der kann zufällig auch gut Teppich verlegen?
(allgemeines Gelächter)
Pulker: Oder staubsaugen!
Reitterer: Der kann gar nichts, das ist ein junger Mensch. Aber bei uns lernt er zum ersten Mal das richtige Leben kennen. Wir hatten nach unseren Schnuppertagen oft Eltern, die zu uns gesagt haben: Danke , dass Sie meinem Kind das Staubsaugen beigebracht haben. Wir haben zu Hause eine Putzfrau.

Frau von Massenbach, Sie arbeiten als Beraterin in der Gastronomie und haben ein veganes Sushi-Lokal in München eröffnet. Ihnen rennen die Köche wirklich die Tür ein?
Von Massenbach: Wir hatten letztens zwei Blindbewerbungen von Köchen. Ich hab gedacht, ich träume! Den einen haben wir auch genommen.

Und wie erklären Sie sich das?
Von Massenbach: Das ist zum einen das Produkt, unser Konzept, das attraktiv ist für viele Leute, vor allem junge. Und wir sind ein kleines Team, ein Start-up, frisch auf dem Markt. Allerdings konnten wir uns in den wenigen Monaten eigentlich noch keinen Ruf als Arbeitgeber aufbauen.
Es ist also wichtig, dass man ein Profil hat, das Mitarbeiter attraktiv finden und mit dem sie sich identifizieren können.
Pastuszyn: Das Entscheidende ist die Unternehmenskultur! Welcher Spirit im Unternehmen herrscht. Und das ist ein langer Prozess.
Von Massenbach: An dessen Anfang wir erst stehen. Aber wir leben unseren Spirit und haben bis jetzt null Fluktuation.
Pastuszyn: Ein junger Mensch möchte bei einem attraktiven Unternehmen arbeiten. Er möchte stolz auf das Unternehmen sein.
Reitterer: Er möchte für ein gutes Produkt einstehen können.
Pastuszyn: Und das ist ihm wichtiger als zehn oder zwanzig Euro mehr, die er woanders bekommen könnte.
(allgemeine Zustimmung)

Susanne Kraus-Winkler: Wir müssen uns grundsätzlich Gedanken über unsere Rahmenbedingungen machen – und zwar spezifisch für den jeweiligen Mitarbeiter. Früher haben wir gesagt: Das ist unser Angebot, unser Betrieb, unsere Organisationsstruktur. Passen Sie da rein oder nicht? Jetzt müssen wir das umdrehen. Jetzt fragen wir: Was bieten Sie an, und wie können wir unsere Strukturen an Ihre Wünsche anpassen?

Und das geht?
Kraus-Winkler: Nicht immer und bei allen. Wir haben das gestern beim Masterplan T ausführlich diskutiert. Wir haben leider viele relativ starre Organisationsstrukturen. Einige stammen noch aus den 50er- und 60er-Jahren. Uns fehlt in vielerlei Hinsicht ein modernes Leadership – vor allem im mittleren Management. Einfach, weil das nirgendwo vermittelt wird.
Pastuszyn: Das ist das Hauptproblem! Keine Führung. Sie wird auch nirgends gelehrt. In keiner Tourismusschule und auch in keinem Wirtschaftsstudium. Die meisten Führungskräfte sind deshalb Führungskräfte, weil sie den Job vorher gut gemacht haben. Aber das hat nichts mit Führung zu tun.
Von Massenbach: Das fängt mit einem selber an. Ich muss mich selber kennen. Ich muss wissen, wie ich möchte, dass man mit mir umgeht. Man muss wissen, wie die junge Generation tickt. Und darf ihr das nicht zum Vorwurf machen. Diese Generation bringt uns so viel Inspiration und neue Ideen. Sie suchen nach Flexibilität und Sinnhaftigkeit. Die muss ich ihnen bieten. Dann finde ich auch Mitarbeiter.
Kraus-Winkler: Die Quintessenz aus der gestrigen Diskussion beim Plan T ist: Wir haben uns bisher immer nur mit den Gästen auseinandergesetzt. In Wirklichkeit ist der Mitarbeiter ein Kunde, der bei uns Arbeit kauft. Und ob unser Produkt Arbeit für den passt oder nicht, wird unseren Erfolg ausmachen. 

Frau Salchenegger, Sie sind vermutlich die Jüngste in dieser Runde, also noch am Nächsten dran an dieser Generation – wie sind Ihre Erfahrungen?
Salchenegger: Ich bin, glaube ich, in der Mitte: Ich versteh die Generation vor mir sehr gut und die nach mir. Meiner Meinung nach braucht man einen guten Mix. Wir pflegen flache Hierarchien, bei mir ist jeder Mitarbeiter gleich viel wert. Ich dränge darauf, dass jeder Abwäscher, jeder Kellner und jeder Koch mit dem gleichen Respekt behandelt wird.
(allgemein zustimmendes Geraune)
Salchenegger: Einer der Vorteile als Unternehmer ist ja, dass man sich aussuchen kann, mit wem man arbeiten möchte. Dass wir die gleichen Werte teilen. So entstehen auch langfristige Arbeitsbeziehungen. Mit meinem Küchenchef habe ich schon mit vierzehn Schwammerl geputzt! Wichtig ist auch, dass man eine klare Vorstellung davon hat, wen man eigentlich sucht, welche Positionen überhaupt möglich sind. Dann findet man ihn auch.

Frau Kraus-Winkler, wie sieht die Personalsituation in Ihren Wein- und Wellness-Hotels im Kamptal und in der Südsteiermark aus? 
Kraus-Winkler: Ganz unterschiedlich. In Langenlois sind wir in einem Bezirk mit Vollbeschäftigung. Dennoch finden wir im weiteren Umkreis genügend Mitarbeiter, die teilweise schon bei uns sind, seit wir aufgesperrt haben. Weil wir frühzeitig begonnen haben, die Mitarbeiter auf unser Konzept einzuschwören. Dennoch gibt es immer wieder Perioden, wo wir plötzlich Schwierigkeiten haben, eine bestimmte Position zu besetzen. In der Südsteiermark ist es völlig anders. Dort leben viel weniger Menschen, und viele Grazer können sich immer noch nicht vorstellen, in der Südsteiermark zu arbeiten. Dort ist für sie immer noch das tote Ende. Ich stehe in Konkurrenz zur Autoindustrie und den übrigen Industriebetrieben, die jedem was anbieten können. Also sind wir teilweise angewiesen auf Leute aus Maribor. Es hängt also immer auch sehr vom Standort ab, wie gut Sie Leute rekrutieren können. Wir hatten auch schon Leute aus Deutschland, die sind nach dem ersten Winter geflüchtet, weil es ihnen in der Südsteiermark dann einfach zu einsam war.

Kann hier Destinationsmarketing helfen? 
Von Massenbach: Jemand aus dem Service oder der Abwasch muss sich die coole Destination aber auch leisten können. Da geht die Schere oft sehr weit auseinander.
Kraus-Winkler: Zum Destinationsmarketing gibt es etliche Initiativen in Österreich. Einige sind auch sehr erfolgreich. Manche versuchen es nur über Hardware, also Benefits für die Mitarbeiter. Aber wenn es dann im Betrieb nicht funktioniert, hilft das auch nichts mehr.
Reitterer: Dann hilft auch ein Mitarbeiterhaus nichts.
Pulker: Ich kenne in der Wachau jeden Betrieb. Wir bekommen immer wieder Schreiben, uns fehlen die und die Mitarbeiter. Und dann weiß ich oft genau, warum denen die Mitarbeiter fehlen. Weil die noch die Unternehmenskultur ihrer Großmutter pflegen. Das spricht sich herum in der Branche.

Und solche Betriebe sind beratungsresistent?
Pulker: Ja, die haben oft immer im gleichen Betrieb gearbeitet, den sie von den Eltern übernommen haben.
Von Massenbach: Dabei ist der Generationenwechsel eine große Chance! Das sage ich meinen Kunden immer wieder. Erstens, sich zum Betrieb und Beruf bekennen und sich dann junge Leute dazuzuholen. Es anders machen als die Eltern!
Kraus-Winkler: Das beste Recruiting kommt über die Mitarbeiter, die da sind. Wenn man ein guter Betrieb ist, kommen die Leute auch wieder zurück, nachdem sie ein paar Jahre woanders gearbeitet haben. 
Salchenegger: Nicht nur die Gäste möchten ein schönes Ambiente und eine gute Stimmung erleben. Das ist natürlich auch den Mitarbeitern wichtig. Ich habe früher im Schlosshotel Fuschl gearbeitet. Als wir statt einer Lohnerhöhung eine neue Visitenkarte bekommen haben, haben wir diese freudig gezückt, weil wir stolz waren, in einem tollen Betrieb zu arbeiten. Unser Direktor war geschickt darin, lauter junge Leute an wichtige Positionen zu setzen, die dann mit großem Enthusiasmus das Haus vermarktet haben.
Pulker: Ich habe einen Servicemitarbeiter, der hat aus dem Betrieb, wo er zwischenzeitlich gearbeitet hat, drei Mitarbeiter zu uns mit zurückgebracht.

Was soll aber nun jemand machen, der selbst merkt, dass er kein guter Arbeitgeber ist?
Pulker: An sich selbst arbeiten.
Kraus-Winkler: Dann muss er sich einen Coach suchen! Und sich hinterfragen.
(allgemeine Zustimmung)
Kraus-Winkler: Ich kenne Unternehmer, die schicken an ihre Mitarbeiter jede Woche fünf Fragen. Es sind meistens dieselben Fragen. Und daran kann man jede Woche ablesen, wie sich die Stimmung verändert.
Pastuszyn: Ich empfehle Doods! Wir sind Testbetrieb.
(Anmerkung: Doods ermöglicht Unternehmen, Menschen am richtigen Platz in der passenden Konstellation einzusetzen und die Voraussetzungen zu schaffen, die diese brauchen, um ihr Bestes zu tun. www.doods.team)

Kraus-Winkler: Man darf seinen Mitarbeitern aber auch nicht mehr versprechen, als man halten kann.
Pulker: Man darf nicht vergessen, in der Gastronomie haben wir rund 90 % Betriebe, die nicht mehr als drei oder vier Mitarbeiter haben. Darunter sind viele Quereinsteiger, die eigentlich in der Gastronomie fehl am Platz sind. Und die sind dann auch schnell wieder verschwunden. Und das ist auch der Grund, warum viele Betriebe Probleme mit Mitarbeitern haben. 
Kraus-Winkler: In diesen Betrieben gibt es einfach auch wenige Aufstiegsmöglichkeiten. Hier kann man dann auch schwerer noch mehr dazulernen.
Von Massenbach: Auch wir sind ein kleiner Betrieb. Ich habe einen Mitarbeiter mit hoher Weinaffinität. Ich kann aber nur eine kleine Weinkarte bieten. Also vermittle ich ihm zwei bis drei bezahlte Praktika bei Winzern, die ich kenne.
Bis er so kompetent ist, dass er Sie verlässt?
Von Massenbach: Das weiß ich nicht. Aber das ist auch egal. In der Zeit, in der er dann bei uns war, hat er uns vorangebracht.
Reitterer: Niemand geht heute mehr davon aus, dass jeder sechs Jahre bleibt.
Von Massenbach: Mir ist wichtig, dass die Teamstruktur stimmt. Die müssen untereinander gut klarkommen.
Salchenegger: Teamwork makes the dream work.
Von Massenbach: Der Gast merkt das sofort.
Pastuszyn: Der Mitarbeiter muss König sein, damit der Gast Kaiser ist. Die Mitarbeiter sind das größte Asset jedes Hauses.

Aber wird nicht doch oft lieber in Designermöbel oder teure Architektur investiert als in Mitarbeiter? Mit denen streitet man über Sonntagszuschläge, aber die Bar hat 300.000 Euro gekostet.
Salchenegger: Man muss den Mitarbeitern gegenüber transparent sein. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, dem Team gegenüber genau zu definieren, was ich eigentlich mache, was meine Aufgabe ist. Und das hat eine Menge ausgelöst, einfach diese Aufrichtigkeit. Jetzt wissen sie, wofür das Geld ausgegeben wird, das wir gemeinsam verdienen. Dazu gehört auch die Ausstattung ihrer Arbeitsplätze. Nichts ist für den Mitarbeiter nerviger, als wenn der Geschirrspüler immer wieder ausfällt oder das Kartenlesegerät.
Reitterer: Oder wenn immer zu wenig Besteck da ist! Weil sich keiner drum kümmert.
Pulker: Oder Investitionen in die Küche: ein Induktionsherd für 100.000 Euro. Oder eine Klimaanlage.
Kraus-Winkler: Die Rahmenbedingungen und die Organisationsstrukturen müssen stimmen, damit sie auch in Stresssituationen funktionieren. Wenn man sich zu den Hauptgeschäftszeiten auch noch mit internen Misslichkeiten auseinandersetzen muss, ist die innere Kündigung schnell da.
Pastuszyn: Und damit sind wir wieder beim Problem der Führung. Ein Mitarbeiter muss sich an seinem Arbeitsplatz sicher fühlen, er darf keine Angst vor Fehlern haben oder davor, auf Fehler oder Mängel hinzuweisen. Fehlendes Besteck etwa.

Wie sieht es damit aus, Verantwortlichkeiten an Mitarbeiter abzugeben?
Kraus-Winkler: Das wird nicht mehr anders gehen. Die Gäste sind so individuell geworden. Darauf muss der Mitarbeiter flexibel reagieren können. Das kann man mit den alten Strukturen nicht mehr leisten. Man muss sich davor aber auch nicht fürchten, wenn alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen, dann funktioniert das sehr gut.
Reitterer: Man muss seinen Leuten ausdrücklich erlauben, Fehler zu machen.

Wird das in der Ausbildung gelehrt?
Reitterer: Natürlich nicht. Schon in der Schule nicht.
Kraus-Winkler: Man muss natürlich unterscheiden: In der Küche ist die Fehlertoleranz viel niedriger als zum Beispiel an der Rezeption. In der Küche muss das wirklich auf den Punkt funktionieren. Da herrscht ganz automatisch ein anderer Druck. Den kann man aber unterschiedlich ausüben: brüllend oder leise. Im Service spiegelt sich dann der Druck der Küche wider. An der Rezeption und auf der Etage kann eine ganz andere Schwingung herrschen.
Von Massenbach: Das hat mit Respekt zu tun.
Pastuszyn: Die richtigen Leute finden dich, wenn du die richtige Kultur hast.
Kraus-Winkler: Und wenn du die falsche Kultur hast, kommen auch die falschen Leute zu dir.
Salchenegger: Das Problem unserer Branche ist auch, dass wir alle im Hamsterrad rennen. Aber Work-Life Balance wird immer wichtiger. Ich versuche, die Bedürfnisse und Dienstplanwünsche meiner Mitarbeiter zu berücksichtigen und zu spüren, wie es dem Einzelnen geht. Daher gebe ich die Dienstplanung ungern aus der Hand, denn hier habe ich als Führungskraft direkt mit jedem einzelnen Mitarbeiter zu tun und weiss, wie es ihm geht.

 In der nächsten ÖGZ lesen Sie die Fortsetzung des Gesprächs zum Thema Ausbildung und Lehre.

Die Teilnehmer

Jennifer Salchenegger
Geschäftsführerin u. a. der Wiener Szenelokale Bettel-Alm, Bettelstudent und Taco Tant. Sie hat die Lokale zusammen mit ihren Mann 2015 von den Eltern übernommen.

Bettina von Massenbach 
Gastronomin und Gastro-Beraterin im FCSI, hat vor einem halben Jahr in der Münchner Innenstadt ein veganes Sushi-Lokal eröffnet.

Hildegard Dorn-Petersen 
seit über 25 Jahren als Beraterin für mittelständische Hotellerie, Gastronomie und Tourismus tätig – Schwerpunkt Spa. Mitglied im Vorstand des FCSI, einem weltweiten Verband für professionelle Beratung und Planung in der Hospitality-Industry. 

Michaela Reitterer 
ÖHV-Präsidentin, Eigentümerin des Boutiquehotels Stadthalle in Wien, dem ersten Passiv-Energie-Hotel der Welt. 

Susanne Kraus-Winkler
Obfrau des Fachverbandes Hotellerie, sie hat unter anderem die Loisium-Weinhotels in Langenlois und Ehrenhausen entwickelt. Seit 2004 im Vorstand der HOTREC, dem Europäischen Dachverband der Hotellerie- und Gastronomieverbände, dessen Präsidentin sie 2014–18 war.

Mario Pulker 
seit 2015 Obmann des Fachverbandes Gastronomie. Er übernahm 2002 den elterlichen Betrieb, das Hotel-Restaurant Residenz Wachau. 

Georg Pastuszyn 
In den 1990er-Jahren übernahmen Annelie und Jacek Pastuszyn das Wiener Hotel Capri als bescheidene Pension und bauten es zum Stadthotel aus. 2008 folgte ihnen ihr Sohn Georg als damals jüngster Hotelier der Stadt nach.