Café: Alles über die Kolbentechnik

Kaffee
14.12.2017

Die Kolbentechnik revolutionierte den Vollautomaten und macht dem Siebträger Konkurrenz. Heute vereint sie die Vorteile beider Kaffeemaschinen im Profibereich.
So funktioniert der Kolben bei Schärf.
Die Range der Cafina-Vollautomaten von Melitta Professional auf der „Gast”.
Die Kolbentechnik von Schärf im Einsatz.

Das erste Patent für einen Vollautomaten wurde bereits 1954 in Italien angemeldet. Da das Konzept nicht erfolgreich war, kam die Entwicklung ins Stocken. Erst die Schweizer Techniker machten daraus viele Jahre später die Idee zu einer Erfolgsgeschichte, zuerst im Gastronomiebereich ab den beginnenden 1970er-Jahren und im Haushaltsmaschinen-Segment ab Mitte der 1980er-Jahre. Die Schweiz ist bis heute Marktführer im gastronomischen Vollautomatensegment. 

Bekannte Schweizer Hersteller sind Thermoplan, Jura, Franke oder Schaerer. Mitte der 1980er-Jahre präsentierte der Schweizer Ingenieur Arthur Schmed zusammen mit der Firma Solis den ersten Vollautomaten für zu Hause, der den Markt für alle Zeiten grundlegend verändern sollte.

Espresso oder Kolbenkaffee?

Die Kolbentechnik ist der Vorläufer der Espressotechnik und basiert auf einem – ursprünglich – mechanisch ausgeübten Druck auf das Kaffeemehl. Der Kaffee wird in einem Zylinder von einem herunterfahrenden Kolben gepresst, bzw. drückt der Kolben das einschießende Wasser durch das Kaffeemehl. Durch den hohen Druck und die stärkere, gesamtflächige Extraktion bildet sich ein Schaum. Deshalb wird dieser Kolbenkaffee in der Schweiz auch als „Schümli“ bezeichnet, in Italien als Caffè Crema. Die wahre, sehr feinporige Espresso-Crema entstand aber erst mit der Erfindung der Espressotechnik im Jahre 1961, mit der Erfindung der E61-Brühgruppe von Faema. 

In der Kolbentechnik unterscheidet man fünf verschiedene Maschinentypen, wie 

  • Handhebelmaschinen
  • Halbautomaten (Kolbentechnik)
  • Vollautomaten für die Gastronomie 
  • Vollautomaten Haushalt und 
  • Vendingmaschinen.

Demgegenüber stehen die Siebträgermaschinen- und die Kapseltechnik.

Handhebelmaschinen sind die Vorläufer der heutigen Espressomaschine. Von den späten 1940er-Jahren mit der Markteinführung der „Achille Gaggia“ bis in die Mitte der 1960er-Jahre war die Handhebelmaschine mit der Extraktion mittels Muskelkraft die gängige Kaffeemaschine für den professionellen Einsatz. Diese Maschinen werden heutzutage aber nur mehr in geringen Stückzahlen produziert.

Halbautomaten (Kolbentechnik): In der Gastronomie werden heutzutage Geräte eingesetzt, die auf der Kolbentechnik basieren, aber mit Elementen der Siebträgertechnik kombiniert wurden. Diese weiterentwickelten Geräte haben z. B. keine integrierte Mühle wie der Vollautomat. Diese Maschinen, wie sie u. a. von der österreichischen Firma Schärf angeboten werden, haben quasi die Vorteile der manuellen Hebelmaschine (für viele Experten noch immer die wahre Methode, Espresso herzustellen!) maschinell umgesetzt. Oft werden diese Maschinen auch als Halbautomaten bezeichnet, was nicht nur ein unglücklicher Ausdruck ist, der keine Auskunft über die zugrundeliegende Kolbentechnik gibt, sondern zusätzlich ebenfalls für die Siebträgermaschinen verwendet wird, was die Verwirrung perfekt macht.

Ziel der Entwicklung der Vollautomaten wiederum war es, eine schnell zubereitete Tasse Kaffee mit einem vollen, harmonischen Geschmack auf Knopfdruck zu erzeugen – basierend auf der Kolbentechnik. Hierbei erfolgt der komplette Vorgang (Mahlen mittels integrierter Mühle, Einfüllen des Kaffeemehls, Pressen bzw. Extrahieren, Ausstoß des Kaffeesudes) vollautomatisch auf Knopfdruck. Doch es handelt sich hier nicht um einen Espresso nach italienischem Vorbild, sondern eben um Kolbenkaffee.

Was ist besser?

Früher galt die Regel: Der Kolbenkaffee ist vollmundig und aromareich, hat aber auch ein weniger intensives und dichtes Extrakt als der Espresso aus der Siebträgermaschine. Der Extraktionsgrad ist beim Siebträger höher, das Getränk ist daher intensiver, dichter und konzentrierter. Siebträgermaschinen holen aus dem Kaffeepulver mehr heraus, sie vertragen meist eine feinere Mahlung, einen höheren Druck und eine etwas höhere Temperatur als die Vollautomaten. Diese Parameter sind heutzutage aber nicht mehr uneingeschränkt gültig. 

Die Kolbentechnik von heute, egal ob bei Halb- oder Vollautomat, ist präziser steuerbar als je zuvor. Sehen wir uns z. B. die weiterentwickelte Kolbentechnik anhand der neuen Schärf „ThreeSixty“-Kaffeemaschine an: Auch hier presst ein Kolben innerhalb eines Zylinders vollflächig Heißwasser durch den gemahlenen Kaffee. Es entsteht ein Druckgleichgewicht und eine ganzheitliche, aromareiche Extraktion.

Die Synthese

Der Extraktionsprozess definiert sich über die Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens innerhalb seines Zylinders. Durch Reduktion des Extraktionsdrucks kann der Kolben jedoch auch mit ganz wenig Druck nach unten bewegt werden. Unerwünschte Säuren und Bitterstoffe werden nicht ausgelaugt. Der Antrieb des Zylinders erfolgt durch einen speziell entwickelten Motor. Die Extraktionsparameter können in jedem Moment der Abwärtsbewegung justiert werden, wodurch Extraktionsdauer und Extraktionsdruck steuerbar sind. Die Extraktionskurve ist individuell anpassbar, wodurch für jeden einzelnen Kaffee die bestmögliche Extraktion angewendet werden kann. Als Resultat ist es möglich, mit dieser Espressomaschine milde Kaffees ebenso zu brühen wie Kännchen-Kaffee oder „filterähnliche“ sortenreine Kaffees. Um diese „verlängerten“ Kaffees ohne Überextraktion und Bitterstoffe zu brühen, setzt Schärf einen sogenannten Brühbeschleuniger (zusätzliche Wasserzufuhr) ein.
An diesem Beispiel sieht man sehr schön, wie man durch innovative Weiterentwicklung die Vorteile von Kolben- und Siebträgertechnik sinnvoll vereinen kann, um das Bestmögliche aus einer Bohne herauszuholen.